Sehnsucht der Unschuldigen
Longstreets hatte er seit jeher auf dem Kieker. Er haßte sie genaugenommen seit dem Tag, als Madeline LaRue sich für Beau Longstreet entschieden und damit Austins Träumen von einer Ehe mit ihr ein jähes Ende bereitet hatte.
So war aus Austin ein verbitterter Eigenbrötler geworden.
Jedermann wußte, daß er seine Frau regelmäßig schlug.
Genauso brutal verfuhr er mit seinen fünf Kindern, deren ältester derzeit wegen wiederholten Autodiebstahls in Jackson einsaß.
Austin hatte ebenfalls schon ein paar Nächte hinter Gittern verbracht. Körperverletzung, Erregung öffentlichen Ärgernisses – und immer hatte er dabei Bibelzitate ausgespuckt oder sich sonstwie auf seinen Schöpfer berufen. Tucker ging davon aus, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis Austin mit seinem Gewehr oder seinen gewaltigen Fäusten auf ihn losging.
Über kurz oder lang würde er sich noch etwas einfallen lassen müssen.
Mit Edda Lou konnte es auch nicht weitergehen wie bisher.
Da hatte er sich Verantwortung aufgehalst. Aber er würde einen Teufel tun und diese Verantwortung heiraten. Im Bett mochte sie ja ganz gut sein, aber bei Gesprächen mit ihr brauchte man schon Zündhölzer, damit einem die Augen nicht zufielen. Doch obwohl sie alles andere als Geist versprühte, war sie gerissen wie eine Füchsin. Einer solchen Frau wollte er wirklich nicht für den Rest seines Lebens jeden Morgen beim Frühstück gegenübersitzen.
Er wollte das für sie tun, was er konnte und was er für richtig hielt. Geld hatte er ja zur Genüge. Und wenn seine Wut verraucht war, konnte er vielleicht auch ein bißchen Zuneigung für das Kind, wenn schon nicht für die Mutter, empfinden. Er hoffte wenigstens, es würde Zuneigung sein, und nicht dieses flaue Gefühl in der Magengrube.
Tucker massierte sich die Schläfen und wünschte sich, Edda Lou möge einfach verschwinden. Recht würde es ihr ja geschehen für die häßliche Szene vorhin im Restaurant. Wenn ihm nur etwas einfiele…
Ein Rascheln im Gebüsch ließ ihn herumfahren. Wieder stieg Wut in ihm auf. Wenn Edda Lou ihm tatsächlich gefolgt war, sollte sie jetzt aber ihr blaues Wunder erleben…
Caroline trat aus dem Wald und unterdrückte einen Schrei.
Dort im Schatten am Teich, wo sie einst mit ihrem Großvater geangelt hatte, stand mit weit aufgerissenen, goldenen Augen, geballten Fäusten und wutverzerrtem Gesicht ein Mann.
Unsicher spähte sie nach irgendeiner Waffe, doch dann bemerkte sie, daß der Fremde sich entspannte.
»Was suchen Sie hier?«
»Ich schaue einfach so ins Wasser.« Mit einem verlegenen Lächeln versuchte Tucker sie von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen. »Ich hätte nie damit gerechnet, daß hier jemand vorbeikommt.«
Caroline traute dem Frieden no ch nicht ganz. So angenehm seine Stimme mit dem typischen Singsang der Südstaaten auch klang, sie war sich nicht sicher, ob er sich nicht doch nur über sie lustig machte. Daß er mit seinen Augen lächelte, erkannte sie durchaus. Zugleich lag in seinem Gebaren eine gewinnende Sinnlichkeit.
»Wer sind Sie?«
»Tucker Longstreet. Ich wohne eine Meile weiter unten. Mir ist schon klar, daß ich auf Ihrem Grund nichts verloren habe.«
Schon wieder blitzte ihr dieses gewinnende Lächeln entgegen.
»Tut mir leid, wenn ich hier einfach so eingedrungen bin. Miss Edith hatte nie was dagegen, wenn ich mich hier ans Wasser gesetzt habe, und darum hielt ich es nicht für nötig, um Erlaubnis zu bitten. Sie sind doch Caroline Waverly, nicht wahr?«
»Richtig.« Ihr abwehrender Tonfall kam ihr angesichts seines rustikalen Charmes plötzlich allzu rüde vor. Um ihn abzumildern, versuchte sie es mit einem Lächeln, beließ es ansonsten aber bei ihrer kühlen Haltung. »Sie haben mich ganz schön erschreckt, Mr. Longstreet.«
»Ach, nennen Sie mich einfach Tucker.« Lächelnd nahm er sie etwas genauer in Augenschein. Ein bißchen zu dünn für seinen Geschmack, aber ihr Gesicht war so blaß und elegant wie die Kameebrosche, die seine Mutter so gerne auf einem schwarzem Samtband getragen hatte. Obwohl er sonst lange Haare bevorzugte, gefiel ihm ihr kurzer Schnitt. Er betonte ihren anmutigen Hals und ihre großen Augen. Tucker steckte die Hände in die Taschen. »Immerhin sind wir jetzt Nachbarn. In Innocence legt man Wert auf gute Nachbarschaft.«
Der Kerl würde mit seinem Charme noch die Fische zum Singen bringen. Einen von dieser Sorte kannte Caroline recht gut. Ob nun seine Worte im Südstaatensingsang oder im
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