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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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ja, sie hatte viel wettzumachen. Und binnen kürzester Zeit bekam sie ein Kind, das ihr dabei helfen sollte. Ich hatte natürlich ein Kindermädchen für die schmutzigeren Aspekte der Erziehung, aber um die Etikette, das Dekorum und die richtige Einstellung, darum kümmerte sich Mutter. Sie ließ mich immer in ihren nach Chanel und Treibhausrosen duftenden Salon bringen und erklärte mir dann mit Engelsgeduld, was von einer Waverly erwartet wurde.«
    »Und was wurde von einer Waverly erwartet?«
    »Absolute Perfektion.«
    »Das stelle ich mir hart vor. Weil ich ein Longstreet war, wollte mein Daddy einen ›richtigen Mann‹ aus mir machen.
    Natürlich sind unsere Vorstellungen irgendwann auseinandergedriftet. Und in den Salon hat er mich auch nicht rufen lassen. Er hat mich lieber in der Scheune verprügelt.«
    »Oh, meine Mutter hat nie die Hand gegen mich erhoben. Das war auch gar nicht nötig. Sie kam sehr früh auf die Idee, mir Geigenstunden geben zu lassen. Das hielt sie für schick. Im Grunde sollte ich ihr ja dankbar sein…« Caroline seufzte. »Aber dann genügte es plötzlich nicht mehr, wenn ich einfach gut spielte. Ich hatte die Beste zu sein. Ich sei ein Wunderkind, hieß es. Spätestens mit zehn Jahren zuckte ich bei dem Wort regelrecht zusammen. Meine Mutter hat für mich die Stücke, die Lehrer, die Kleider für die Vorträge und selbst meine Freunde ausgesucht. Später gab ich Konzerte. Noch nicht viele, weil ich ja noch ein Kind war, aber mit jedem Jahr wurden es mehr. Als ich sechzehn war, stand meine Laufbahn fest. Und zwölf Jahre lang bin ich nicht davon abgewichen.«
    »Hattest du denn Lust auf etwas anderes?«
    Caroline lächelte. Tucker war der erste Mensch in ihrem Leben, der sie danach fragte. »Sobald ich anfing, mir über etwas anderes Gedanken zu machen, war sie schon wieder da. Sei es persönlich, sei es am Telefon, sei es in einem Brief. Als hätte sie gespürt, daß die Saat einer Rebellion im Begriff war, Wurzeln zu schlagen. Und sie hat sie im Keim erstickt.«
    »Und das hast du zugelassen?«
    »Ich wollte, daß sie mich liebt.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch sie zwinkerte sie rasch fort. »Ich hatte Angst, ich würde mir ihre Liebe verscherzen, wenn ich mal nicht perfekt war. Sag, klingt das nicht lächerlich?«
    »Überhaupt nicht.« Er wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht, die ihr trotz aller Gegenwehr über die Wangen flo ssen.
    »Es klingt nur sehr traurig – und zwar für deine Mutter.«
    Carolines Nasenflügel bebten. Sie holte tief Luft. »Vor etwa drei Jahren habe ich Luis in London kennengelernt. Einen brillanteren Dirigenten hatte ich noch nie erlebt. Er war noch sehr jung, zweiunddreißig, aber er hatte in Europa gewaltig Furore gemacht. Er beherrschte sein Orchester wie ein Matador die Stierkampfarena. Autoritär, überheblich und mit einer wahnsinnigen erotischen Ausstrahlung. Dazu sah er blendend aus.«
    »Ich kann ihn mir lebhaft vorstellen.«
    Mit einem etwas verlegenen Lachen fuhr sie fort: »Ich war damals fünfundzwanzig und hatte noch nie mit einem Mann geschlafen.«
    Tucker setzte sein Weinglas verblüfft ab. »Du hattest…«
    »Ganz richtig. Meine Mutter hielt mich immer an der kurzen Leine, und ich hatte als Jugendliche weder den Mut noch die Kraft, dagegen aufzumucken. Wenn ich dann einmal einen Begleiter zu irgendeinem gesellschaftlichen Anlaß brauchte, suchte sie einen für mich aus, den sie für passend hielt. Sie und ich hatten nicht unbedingt denselben Geschmack. Ich habe mich nie für einen von diesen Schönlingen interessiert.«
    Tucker gab ihr einen flüchtigen Kuß. »Deshalb magst du ausgerechnet mich. Bei mir würde deine Mutter graue Haare kriegen.«
    »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ich zähle schon gar nicht mehr, was ich alles bei dir zum ersten Mal erlebe.« Sie prostete ihm lächelnd zu. »Als ich dann später auf Tourneen ging, hatte ich für so etwas wie Abenteuer keine Zeit. Man kann wohl auch sagen, daß ich verklemmt war.«
    Tucker dachte an die Frau, mit der er vorhin das Bett zerwühlt hatte. »Mhmmm.«
    Sie hätte sich nie träumen lassen, wie tröstlich Sarkasmus sein konnte. »Meine Sexualität habe ich in meiner Musik ausgelebt.
    Und ich sah mich auch nicht als eine von den Frauen, die sich in den ersten besten attraktiven Mann verlieben, sobald er mit dem kleinen Finger winkt.« Sie schenkte sich das Glas wieder voll.
    »Nach eineinhalb Tagen Proben mit Luis wurde ich eines Besseren belehrt.« Sie

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