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Sehnsucht der Unschuldigen

Sehnsucht der Unschuldigen

Titel: Sehnsucht der Unschuldigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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kam zum Tisch zurück und packte ihr Glas. »Kannst du dir vorstellen, daß eine Frau mit auch nur einer halbwegs funktionierenden Hirnzelle auf so ein Gesäusel hereinfällt, Tucker?«
    »Doch, ja«, meinte Tucker lächelnd.
    Sie starrte ihn verblüfft an. Dann brach sie in Lachen aus.
    »Dumme Frage. Natürlich bin ich darauf reingefallen. Er war ja immer noch der einzige Mann in meinem Leben gewesen. Mit etwas mehr Erfahrung und Selbstvertrauen hätte ich ihn wahrscheinlich rausgeworfen. Aber so war ich bereit, noch einmal von vorne anzufangen. Wir haben sogar die Hochzeit ins Auge gefaßt. Natürlich nur sehr vage. Wenn die Zeit dafür reif sei, hat er gesagt. Vorher hat er mir natürlich wieder eine Tournee aufgeschwatzt.«
    Sie sah etwas überrascht auf ihr Glas hinunter. »Ich werde langsam betrunken.«
    »Macht nichts, ich fahre ja. Wie ging es weiter?«
    »Luis war der Dirigent und ich die Starsolistin. Mir war klar, daß es eine Tortur sein würde, aber wir waren zusammen. Dr.
    Palamo warnte mich zwar vor noch schlimmeren Kopfschmerzen, Magengeschwüren und und und, aber ich wollte nicht auf ihn hören.«
    »Er hätte dich an ein Krankenhausbett fesseln sollen.«
    »Du hättest ihm gefallen.« Caroline nippte an ihrem Glas.
    »Wie dem auch sei, vor dem Abflug gab meine Mutter noch eine große Party und machte vor den Gästen Andeutungen, wir würden bald heiraten. Luis ging mit schepperndem Gelächter und ständigem Augenzwinkern vo ll darauf ein. In der Woche darauf landeten wir in Europa einen triumphalen Erfolg.
    Allerdings wurde meine Schlaflosigkeit immer schlimmer, und Luis brauchte eine eigene Suite. Neben mir könne er unmöglich schlafen, erklärte er mir.«
    »So ein Schleimscheißer!«
    »Das vielleicht nicht, aber er war glatt, aalglatt. Den Rest will ich dir ersparen. Als Musikerin hat er mich gefordert. Ohne ihn wäre ich nie so weit gekommen. Nur hat er mich im Bett genauso behandelt wie bei den Proben. Ich kam mir vor wie ein Instrument, das man poliert und neu besaitet. Die ganze Zeit fühlte ich mich schlapp, krank und schrecklich unsicher. Er wurde stocksauer, wenn ich abgespannt zur Probe kam. Und ich wurde auch sauer, weil mir die mitleidigen Blicke der anderen Musiker nicht ent gingen. Schließlich fing ich mir irgendwo eine Infektion ein. Wochenlang lebte ich ausschließlich von Antibiotika, Fruchtsäften und der Musik. Wir hatten längst aufgehört, miteinander zu schlafen, und er hielt mir vor, ich würde nicht mein Bestes geben, was ja auch stimmte. Dann wiederum versprach er mir, nach der Tournee würden wir als erstes auf Urlaub gehen und so richtig ausspannen. Und ich nahm ihn beim Wort. Aber ich hielt nicht mehr bis zum Ende durch. In Toronto kippte ich in meinem Umkleideraum einfach um.«
    »Um Gottes Willen, Caroline!«
    »Es klingt schlimmer, als es tatsächlich war. Ich war nur erschöpft. Ich rappelte mich gleich wieder auf und nahm mir vor, mit ihm darüber zu sprechen. Ich glaubte, er würde mich schon verstehen, wenn ich es ihm erklärte. Also ging ich zu ihm rüber… Er lag auch auf dem Boden. Unter ihm allerdings die Flötistin. Sie waren so mit sich beschäftigt, daß sie mich nicht einmal bemerkten. Ich fühlte mich der Auseinandersetzung nicht gewachsen und ging sofort weg. Das Konzert danach war eine Sternstunde. Drei Zugaben, und ich mußte sechsmal vor den Vorhang. Die Leute tobten noch immer, aber ich klappte nun endgültig zusammen. Was danach kam, weiß ich nicht mehr, nur noch, daß ich in einem Krankenhausbett aufgewacht bin.«
    »Er hätte ins Krankenhaus gehört!«
    »Ach, er war nicht schuld. Er war nur eins von den Symptomen. Die eigentliche Ursache war ich. Ich und mein elendes Bedürfnis, es allen recht zu machen. Die Diagnose lautete auf physische und psychische Erschöpfung.« Sie ging hastig zum Tisch zurück und kippte den Rest der Flasche in ihr Glas. »Ich empfand das als demütigend. Irgendwie wäre es mir leichter gefallen, wenn sie einen Tumor oder etwas ganz Exotisches gefunden hätten. Dr. Palamo ist dann persönlich zu meiner Behandlung nach Toronto gekommen. Ach, war das angenehm! Kein besserwisserisches ›Habe ich es Ihnen nicht gesagt?‹ oder so. Er hörte mir geduldig zu, und einmal hat er Luis sogar aus dem Zimmer geworfen.«
    Tucker hob das Glas. »Auf Dr. Palamo!«
    »Er hat mir ungemein geholfen. Wenn ich weinen mußte, ließ er mich einfach weinen. Und wenn mir nach Reden war, hörte er mir zu. Er ist kein Psychiater, aber er

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