Sehnsucht der Unschuldigen
nicht festhalten. Dein Töchterchen tanzt heute beim Umzug mit, habe ich gehört.«
»Seit Wochen hat sie nichts anderes mehr im Kopf. Ihr Opa hat extra deswegen eine Videokamera gekauft. Er will alles filmen.«
»Wirklich faszinierend, Deputy«, schaltete Burns sich ein.
»Aber Sie und ich, wir sind beide dienstlich hier.« Sein Blick richtete sich auf Tucker. »Außenstehende haben hier nichts zu suchen.«
»Ich werde mir ihren Auftritt nicht entgehen lassen, Carl«, versprach Tucker dem hinauseilenden Deputy. Nach einem tiefen Lungenzug wandte er sich an seinen Bruder. »Hat er dir eigentlich deine Rechte vorgelesen, Dwayne?«
»Mr. Longstreet ist nicht verhaftet worden«, mischte Burns sich ein. »Er wird lediglich verhört.«
»Er hat ein Recht auf die Hinzuziehung eines Anwalts, oder?«
Burns spreizte die Hände. »Aber gewiß. Wenn Sie den Eindruck haben, Ihre Rechte würden nicht hinreichend gewahrt, Mr. Longstreet, oder Sie könnten sich durch Ihre Aussagen selbst belasten, so können Sie jederzeit Ihren Anwalt anrufen.
Wir warten gerne.«
»Ich bring’s lieber gleich hinter mich«, knurrte Dwayne mit einem kläglichen Blick auf Tucker. »Könnte ich aber vielleicht einen Kaffee und ein paar Aspirin haben?«
Burke klopfte Dwayne aufmunternd auf die Schulter. »Wir kriegen dich schon wieder hin.«
»Ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, Longstreet«, sagte Burns und deutete mit dem Kinn zur Tür. »Das ist ein offizielles Verhör. Unbefugte haben dabei nichts zu suchen.«
»Burke hat mich zum Hilfssheriff ernannt«, erwiderte Tucker mit einem dünnen Lächeln. »Am Unabhängigkeitstag ist erfahrungsgemäß die Hölle los. Da kann er Verstärkung gut gebrauchen.«
Burke ging auf das Spiel ein. »Das stimmt, Agent Burns.
Tucker hat sich in den letzten Jahren als zusätzliche Hilfe immer bestens bewährt.«
»Nun gut.« Burns schaltete seinen Recorder ein. »Mr.
Longstreet, Sie sind ansässig auf dem Anwesen Sweetwater im County Bolivar, Mississippi?«
»Richtig, ja.« Mit einem dankbaren Nicken nahm Dwayne eine Tasse Kaffee und die Tabletten entgegen. »Die Longstreets bewirtschaften die Plantage seit fast zweihundert Jahren.«
»Gut. Und Sie leben dort zusammen mit Ihrem Bruder und Ihrer Schwester.«
»Und Delia. Sie ist seit über dreißig Jahren unsere Haushälterin. Im Moment wohnt auch unsere Tante Lulu bei uns. Sie ist eine Großtante mütterlicherseits. Keine Ahnung, wie lange sie bleibt. Sie kommt und geht, wann sie will. Einmal…«
»Sparen Sie sich die Masche vom lieben Jungen«, unterbrach ihn Burns. »Ich möchte nach Möglichkeit noch vor der Parade fertig werden.«
»Ich beantworte ja nur Ihre Fragen«, erwiderte Dwayne mit einem Zwinkern in Richtung Tucker. »Ach ja, im Moment wohnen noch der junge Cy und Caroline Waverly bei uns.
Wollten Sie denn das nicht wissen?«
»Ihr Familienstand?«
»Geschieden. Im Oktober werden es zwei Jahre. Da wurde es offiziell bestätigt. Stimmt doch, oder, Tucker?«
»Doch, ja.«
»Und wo lebt Ihre Ex-Gattin?«
»In Nashville. Rosebank Avenue. Sie bewohnt dort ein hübsches kleines Haus, von dem es die Jungen nicht weit zur Schule haben.«
»Und sie hieß mit Mädchennamen Adelaide Koons?«
»Sissy«, verbesserte Dwayne. »Weil ihr kleiner Bruder nie Adelaide sagen konnte, wurde sie einfach Sissy genannt.«
»Und Mrs. Longstreet war von Ihnen schwanger, als Sie heirateten?«
Dwayne sah stirnrunzelnd in seinen Kaffee. »Mir ist zwar nicht klar, was Sie das angeht, aber ich mache kein Geheimnis daraus.«
»Sie haben sie geheiratet, um dem Kind einen Namen zu geben?«
»Wir haben geheiratet, weil wir es für das Beste hielten.«
Burns faltete die Hände über der Tischplatte und nickte. »Und kurz nach der Geburt Ihres zweiten Sohnes hat Ihre Frau Sie verlassen.«
Dwayne trank seinen Kaffee leer. Über den Tassenrand hinweg fixierte er unablässig den Beamten. Seine blutunterlaufenen Augen nahmen plötzlich einen harten Ausdruck an. »Auch das ist kein Geheimnis.«
»Würden Sie zugeben, daß dem eine häßliche Szene voranging? Ich beziehe mich auf das Protokoll meiner bisherigen Ermittlungen: Ihre Frau sperrte Sie nach eine m heftigen Streit aus und warf Ihre Habseligkeiten aus dem Fenster. Dem Vernehmen nach hatten Sie exzessiv getrunken.
Am Tag darauf zog sie zu einem Schuhvertreter und Hobbymusiker nach Nashville.«
Dwayne betrachtete die Zigarette, die er noch nicht angezündet hatte. »Das dürfte so ungefähr
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