Sehnsucht der Unschuldigen
sie, Edda Lou Hatinger, die auf einer Schmuddelfarm mit ein paar gackernden Hühnern im Vorhof und dem ewigen Gestank nach Schweinefett in der Küche aufgewachsen war, würde Kleider tragen wie die feinen Leute, in einem französischen Bett schlafen und zum Frühstück Champagner trinken.
Tucker gefiel ihr zwar ausnehmend gut, aber den weit größeren Platz in ihrem hungrigen Herzen nahmen sein Haus, sein Name und sein Bankkonto ein. In Innocence würde sie dann nur noch in einem riesigen rosa Cadillac vorfahren. Bei Larsson sollten dann andere an der Kasse sitzen. Und nie mehr würde sie mühsam die letzten Cents zusammenkratzen müssen, um mit Ach und Krach die Pension zu bezahlen, weil ihr Daddy sie hochkantig rausgeschmissen hatte und sie windelweich schlagen würde, falls sie sich noch einmal daheim blicken ließ. Sie würde eine Longstreet sein.
So vor sich hinträumend, lenkte Edda Lou ihren winzigen Ford an den Straßenrand. Es wunderte sie keineswegs, daß Tucker sie mit seinem Briefchen ausgerechnet für Mitternacht an den kleinen Teich bestellt hatte. Sie fand die Idee süß. Eben wegen Tuckers ausgesprochenem Sinn fürs Romantische hatte Edda Lou sich ja in ihn verliebt – soweit ihr gieriges Herz Liebe zuließ. Tucker betatschte sie nicht ständig und griff ihr nicht bei der ersten Gelegenheit unters Höschen, wie die anderen, mit denen sie ausging.
Nein, Tucker unterhielt sich gern mit ihr. Auch wenn sie bestenfalls die Hälfte von seinen Phantastereien verstand, so wußte sie seine Zurückhaltung doch zu schätzen.
Und seine großzügigen Geschenke – Parfüm, soviel das Herz begehrte, und immer wieder Blumensträuße. Einmal hatte sie bei einem Streit eine bühnenreife Heulnummer hingelegt, und das hatte ihr ein Nachthemdchen aus reiner Seide eingebracht.
Da Vollmond war, zog Edda Lou ohne Taschenlampe los. Sie wollte die Stimmung nicht kaputtmachen. Folglich ließ sie das Haar in voller Länge über ihre Schultern fallen und zupfte an ihrem knappen Top, aus dem die üppigen Brüste fast herausquollen. Die hautengen Hot Pants kniffen sie ein wenig, aber Schönheit muß eben leiden, wie sie sich gerne sagte.
Wenn sie ihre Karten richtig ausspielte, würde Tucker sie in Null Komma nichts ausgezogen haben. Allein beim Gedanken daran wurde ihr heiß zwischen den Beinen. Keiner war so gut wie Tucker. Manchmal vergaß sie in ihrer Erregung sogar fast das viele Geld. Heute nacht wollte sie ihn unbedingt in sich spüren. Nicht nur, weil es in der freien Natur etwas Besonderes war, sondern weil das Timing ideal paßte. Mit etwas Glück war sie morgen dann tatsächlich schwanger.
Mit traumwandlerischer Sicherheit schritt Edda Lou durch die Geißblattsträucher mit ihrem betörenden Duft, während das Mondlicht in stetig wechselnden Mustern auf das Laub fiel. Da sie auf dem Land geboren und aufgewachsen war, machten ihr die vielen verschiedenen Geräusche der Nacht keine Angst. Das Quaken der Frösche, das Rascheln der Gräser, das Zirpen der Grillen oder das Rufen der Eulen nahm sie schon gar nicht mehr wahr.
Zwei gelbe Augen blitzten Edda Lou im Mondlicht an. Sie mochten einem Fuchs oder einem Waschbär gehören, verschwanden aber, als sie näher herantrat. Ein kleines Tier, ein junger Vogel wahrscheinlich, quietschte verzweifelt. Edda Lou schenkte dem Tod des Tieres ungefähr soviel Beachtung wie ein New Yorker dem Schrillen einer Sirene. Hier jagten nun einmal in der Nacht der Fuchs und die Eule ihre Beute.
Auf dem weichen Boden verursachten Edda Lous Schritte keinerlei Geräusch. Im Mondlicht wirkte ihre Haut beinahe so glatt und vornehm wie Marmor. Und ihr siegesgewisses Lächeln verlieh ihrem Gesicht eine Art von wilder Schönheit.
»Tucker?« Sie rief ihren Freund mit der Kleinmädchenstimme, mit der sie ihn gern umschmeichelte.
»Tut mir ja so leid, daß ich zu spät komme, Liebling.«
Keine Antwort. Sie blieb am Ufer stehen und kniff die Lippen zusammen. Und schon war die Schönheit von vorhin verschwunden. Absichtlich war sie zehn Minuten zu spät gekommen, weil er ruhig Blut und Wasser schwitzen sollte.
Wütend setzte sie sich auf den Baumstamm, auf dem Tucker wenige Stunden zuvor gehockt hatte. Das sollte er ihr noch büßen! Da war sie doch tatsächlich zu ihm gerannt, kaum hatte er mit dem kleinen Finger gewunken. Noch nicht einmal das!
Einen windigen zerknitterten Zettel hatte er ihr geschrieben:
Komm um Mitternacht zum Teich der McNairs. Dort regeln wir alles wieder. Ich möchte
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