Sehnsucht der Unschuldigen
»Wie tröstlich.«
»Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber so allein hier draußen mußt du dich unbedingt in acht nehmen.«
Caroline kniff die Lippen zusammen. »Dieser Tucker Longstreet und Edda Lou sollen einen Streit gehabt haben.
Stimmt es, daß sie ihn zum Heiraten zwingen wollte?«
»Sie hat es mehr oder weniger versucht.« Susie brach in schallendes Gelächter aus. »Du kennst Tucker Longstreet nicht, sonst hättest du eben nicht so dreingeschaut. Die Vorstellung, er könnte jemanden töten, ist einfach lachhaft. Es würde ihn viel zuviel Anstrengung und Gefühle kosten. Auf beiden Gebieten scheint es bei Tucker zu hapern.«
Caroline mußte wieder an Tuckers Miene bei ihrer Begegnung am Teich denken. An Gefühlen hatte er es da eigentlich nicht fehlen lassen – und zwar gefährlichen.
»Burke wird sich wohl eingehend mit ihm unterhalten müssen«, fuhr Susie beim Wegräumen des Geschirrs fort.
»Leicht wird es ihm nicht fallen, denn die zwei sind wie Brüder.
Drum kann ich dir auch eines sagen: Tucker ist ein herzensguter Mensch. Er könnte keiner Fliege was zuleide tun. Wenn er eine Frau sieht, denk t er bestimmt an kein Messer. Das einzige, was ihn beschäftigt, ist, wie er unter ihr Höschen kommt.«
»Die Sorte kenne ich«, blaffte Caroline.
»Glaub’s mir ruhig, bei einem wie Tuck ist keine Frau sicher.
Wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre, würde er mir vielleicht auch ganz gut gefallen. Er hat das gewisse Etwas. Ich trau mich wetten, daß er über kurz oder lang auch bei dir aufkreuzen wird.«
»Dann holt er sich aber eine blutige Nase.«
Lachend räumte Susie die letzten Teller weg. »Da möchte ich dabeisein. So, jetzt müssen wir aber ran an die Arbeit.«
»Arbeit?«
»Ich kann dich doch nicht so ohne Schutz allein lassen.« Sie trocknete sich die Hände ab und ging zu ihrer Handtasche hinüber. Daraus zog sie einen Revolver, einen tödlich aussehenden 38er.
»Um Himmels Willen!« entfuhr es Caroline.
»Das ist ein Smith & Wessen. Revolver liegen mir irgendwie besser in der Hand als automatische Pistolen.«
»Ist er… geladen?«
»Aber natürlich! Leer würde er mir ja nichts nützen. Ich habe damit beim Scheibenschießen den ersten Preis gewonnen – noch vor Burke. Er weiß nicht so recht, ob er sich deswegen schämen oder ob er stolz auf mich sein soll.«
»Und du trägst das Ding einfach so in der Tasche herum?«
ächzte Caroline.
»Seit Februar. Hast du schon mal geschossen?«
»Nein!« rief Caroline. Sie verschränkte unwillkürlich die Hände hinter dem Rücken.
»Und du traust es dir wohl auch nicht zu. Aber bei mir lernst du schon noch, dich zu wehren, wenn ein Mann auf dich losgeht. Warte, dein Großvater hatte doch eine Waffensammlung. Das wäre ja gelacht, wenn wir da nichts Passendes finden würden.«
Susie legte ihren 38er auf den Küchentisch und lief ins Wohnzimmer.
»Susie!« rief Caroline verwirrt und folgte ihr. »Ich kann mir doch eine Waffe nicht so wie ein… ein Kleid aussuchen!«
»Es ist aber beides gleich interessant.« Susie blieb vor dem Waffenschrank stehen. Den Zeigefinger nachdenklich auf den Lippen musterte sie die Sammlung. »Wir fangen am besten mit etwas Kleinem an. Aber das Laden üben wir mit einer Flinte. Da kriegt man am schnellsten ein Gefühl dafür… Wenn so ein Bursche dich belästigen will, legst du einfach an und sagst dem Dreckskerl, daß du direkt auf seinen Bauch zielst. Was meinst du, wie schnell der Leine zieht! Und wenn nicht, kriegt er eine Ladung Schrot auf den Pelz.«
»Ist das dein Ernst?«
»In dieser Gegend wissen wir uns schon zu helfen. Na, ist das kein Prachtstück?« Susie öffnete die Vitrine und nahm einen alten Armeecolt heraus. Mit einem gekonnten Griff klappte sie die Trommel auf. Sie war leer. Caroline sah mit offenem Mund zu, wie Susie sie wieder zuklappte, auf die Wand zielte und abdrückte. »Gut. Jetzt werden wir mal sehen, wo er die Munition hatte.« Gleich bei der ersten Schublade hatte sie Glück. Sie wählte die passenden Kugeln aus und wandte sich grinsend zu Caroline um.
»So, und jetzt zerteppern wir ein paar Dosen.«
Freudensprünge hatte Special Agent Matthew Burns nicht gerade vollführt, als man ihn in ein verstaubtes Provinzkaff im Mississippi-Delta geschickt hatte. Er war ein Großstadtmensch, der gern mal in die Oper ging, durch die Nationalgalerie bummelte und gegen ein Gläschen Château Neuf nichts einzuwenden hatte. Gerade auf dieses Wochenende hatte er sich besonders
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