Sehnsucht der Unschuldigen
in die Leichenhalle gebracht. Wenn das FBI kommt, sehen wir weiter.« Burke verstaute sein Notizbuch in der Tasche und wandte sich zum Gehen. »Geh Austin nach Möglichkeit aus dem Weg.«
Mit einem säuerlichen Grinsen strich Tucker sich über die geprellten Rippen. »Mach dir da mal keine Sorgen.«
Burke wich verlegen seinem Blick aus. Drei Rhododendronbüsche schienen plötzlich sein ganzes Interesse zu wecken. »Na gut, dann gehe ich mal. Willst du morgen im Büro vorbeischauen? Wäre nicht schlecht, wenn die vom FBI einen guten Eindruck von dir bekämen.«
»Einverstanden.« Tucker atmete auf, als sein Freund davontrottete, aber dann rief er ihn noch einmal zurück: »Hey, das Bier wartet noch immer auf dich.«
»Danke für die Einladung, aber ich seh doch mal lieber daheim nach dem rechten.«
»Ich muß krank sein, Tucker«, seufzte Josie. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sauer ich auf den Kerl bin, aber trotzdem möchte ich nichts lieber als unter seine Hose.«
Lachend tätschelte Tucker ihr die Wange. »Das ist nur der Longstreet-Reflex. Josie, ich will ja nicht an deiner Aufrichtigkeit zweifeln, aber wir haben doch seit Wochen nicht mehr Karten gespielt.«
»Na und? Irgendwie verschmelzen die Tage miteinander.
Aber findest du nicht auch, daß es so einfacher ist?«
Behutsam nahm Tucker ihr Kinn zwischen die Finger und sah ihr ernst in die Augen. Das war seine Art, Leute anzusehen, wenn etwas ihm sehr wichtig war. »Kann schon sein. Aber jetzt mal ganz ehrlich. Du glaubst doch nicht, daß ich der Mörder bin?«
»Ach, mein Schatz. Wir sind doch zusammen aufgewachsen.
Und du bist eben ein Gemütsmensch – selbst wenn du dich mal aufregst. Ich weiß, daß du keiner Fliege etwas zuleide tun könntest. Was ist schon dabei, wenn wir die ganze Nacht Karten gespielt haben?«
Tucker zögerte. Irgendwie erschien es ihm nicht richtig. Aber andererseits erleichterten kleine Notlügen einem hin und wieder das Leben. Was zum Beispiel würden die Jungs im Chat ‘N Chew sagen, wenn sie erführen, daß er den ganzen Abend Gedichte gelesen hatte?
Und wer würde es ihm glauben?
5
In dieser Nacht wurden in ganz Innocence die Häuser verrammelt und die Gewehre geladen, und trotzdem stellte sich der Schlaf nur schwer ein.
Auch am nächsten Morgen galt überall der erste Gedanke Edda Lou.
Bei Darleen Füller Talbot, Happy Füllers drittem Kind und ersten großen Enttäuschung, war die Trauer gemischt mit Apathie. Als Teenager war sie in Edda Lous Schlepptau überallhin mitgegangen. Es war eine aufregende Zeit gewesen.
Gemeinsam waren sie nach Greenville getrampt, hatten in Larssons Laden Schminkzeug gestohlen, hatten Schule geschwänzt und in Spook Hollow die ersten Abenteuer mit Jungen erlebt. Zusammen hatten sie auch Ängste ausgestanden, wenn die Periode sich verspätet einstellte, hatten freimütig ihre sexuellen Erfahrungen ausgetauscht und waren zahllose Male mit wechselnden Verehrern zu viert ausgegangen. Be i ihrer Hochzeit war Edda Lou die Ehrenjungfrau gewesen, und umgekehrt hätte auch sie ihre Freundin zum Traualtar begleiten sollen, sobald Tucker Longstreet endgültig an der Angel gezappelt hätte.
Nun lebte sie nicht mehr, und Darleens Augen waren vom vielen Weinen verquollen. Sie brachte kaum noch die Energie auf, den kleinen Scooter in sein Laufgitter zu setzen, ihrem Mann auf dem Weg in die Arbeit nachzuwinken und gleich danach zur Hintertür zu schlurfen, um ihren Liebhaber Billy T.
Bonny hereinzulassen, der in seinem verschwitzten T-Shirt und seiner zerrissenen Bluejeans bereits gewartet hatte.
Er nahm sie gleich in seine mit Tätowierungen übersäten Arme. »Du darfst dich nicht so grämen, mein Zuckerbaby. Ich kann dich nicht weinen sehen.«
»Ich kann noch gar nicht glauben, daß sie tot sein soll«, schluchzte Darleen in seine Schulter. »Sie war meine allerliebste und engste Freundin, Billy.«
»Ich weiß.« Voller Mitgefühl drückte er seine breiten Lippen auf ihren Mund und fuhr sogleich liebkosend mit der Zunge darum herum. »Sie war ein prächtiges Mädchen, und wir alle werden sie sehr vermissen.«
»Sie war für mich mehr als jede Schwester.« Darleen löste sich etwas von ihm, so daß er unter ihr Nachthemdchen greifen konnte. »Belle und Starita haben mir nie soviel bedeutet.«
»Die waren bloß neidisch, weil keine so schön ist wie du.« Er streichelte ihre bereits harten Brustwarzen und bewegte sich mit ihr zum Tisch.
Mit tränenglänzenden Augen knöpfte sie
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