SehnSucht - Erotischer Roman: Erotischer Roman (German Edition)
sie Muriel einen Blick zugeworfen hatte, beschloss sie, im Plural fortzufahren: »Warum setzt ihr euch denn nicht? Schaut mal, dort vorn bei uns am Tisch sind noch freie Stühle.«
Muriel inspizierte den besagten Tisch. Drei andere Frauen gleichen Kalibers saßen dort – stilsicher gekleidete Bilderbuchmütter, die ihre gepflegten Langhaarfrisuren mit großen Sonnenbrillen akzentuierten.
»Hallo, Stephanie«, begrüßte Leander die Frau. Er stellte Muriel mit ihrem Vornamen vor und setzte sie anstandshalber darüber in Kenntnis, dass Stephanie die Mutter einer von Linas Klassenkameradinnen sei, wohingegen er keinen Ton darüber verlor, in welcher Beziehung er und sie zueinander standen.
Stephanie war sichtlich verunsichert, was sie mit konstantem Gerede zu überspielen versuchte. Ihren Schilderungen zufolge hatte sie sich maßgeblich an der Organisation dieser Veranstaltung beteiligt und einen Großteil der Kostüme geschneidert, was, wie sie betonte, ein Heidenaufwand gewesen war.
»Also, nun kommt schon mit«, versuchte sie es im Anschluss an ihre Rede weiter. »Hier ist es doch so schattig.«
Leander tat, was er bestens konnte und bediente sich des Untertons, der seine Worte endgültig machte. »Nimm es uns nicht übel, aber wir haben den gesamten Vormittag im Flugzeug und Auto verbracht. Wir würden uns gern die Beine ein bisschen vertreten.«
... und entspannen, führte Muriel seine Gedanken im Stillen weiter, denn ihre Sensoren empfingen seine Gereiztheit nur zu deutlich.
Als Stephanie aufgab und zu ihrem Tisch ging, knurrte er. »Die Frau geht mir sowas von auf den Wecker.«
»Kann ich mir vorstellen. Ist Lina gut mit ihrer Tochter befreundet?«
»Nein, sie kann das Mädchen nicht ausstehen.« Leanders Miene hellte sich auf, als eine Vogelscheuche auf die Bühne getrippelt kam. »Schau, es geht los!«
Lina brillierte in ihrer Rolle als Vogelscheuche. Über braunen Stiefeln und einer zerlöcherten grauen Hose trug sie ein Karohemd. Aus allen Löchern und Enden ihrer Kleidung lugte Stroh, was ohne Zweifel ganz fürchterlich piekte. Ihr Gesicht unter dem Strohhut war tragisch-komisch angemalt. Als bestünden ihre Glieder tatsächlich aus Stroh, wankte sie über die Bühne und verscheuchte die intriganten Krähen mit scheinbar unkontrollierten Armbewegungen.
Immer wieder schweiften Muriels Blicke von der Bühne zu Leander. Mit vor der Brust verschränkten Armen sah er seiner Tochter zu und feixte die ganze Zeit. Er applaudierte an besonders gelungenen Stellen, lachte über bestimmte Passagen im Text – was in Muriels Ohren ein völlig neues Geräusch war – und zerzauste sich die Haare, vom Bühnengeschehen so gefesselt, dass er es wahrscheinlich wieder nicht bemerkte.
Nachdem die kleinen Schauspieler unter dem Beifall der Zuschauer von der Bühne gegangen waren, wandte er sich Muriel zu, die ihn immer noch oder schon wieder betrachtete. In diesem Moment sah er so entspannt und zufrieden aus, wie sie sich selbst am gestrigen Abend gefühlt hatte – bevor sie seine Kette entdeckte hatte. Selbst mit grimmiger Miene war er ein attraktiver Mann, doch wenn er lächelte, war er mehr als das, und der Ausdruck seiner Gelöstheit bewegte etwas in Muriel – eine Emotion, die sie normalerweise nicht fühlte und deren plötzliche Präsenz eigentlich einen Alarm in ihr auslösen sollte.
***
Auf der Heimfahrt am frühen Abend plauderte Lina so gut wie ununterbrochen von den Proben zum Schauspiel, wobei sie ihre Worte hauptsächlich an Muriel adressierte. Als Leanders Wagen vor ihrem Wohnhaus in Old Town hielt und er ausstieg, um ihre Tasche aus dem Kofferraum zu nehmen, lud Lina sie ein, demnächst zu Besuch zu kommen. Muriel gab ein halbherziges Versprechen ab und verabschiedete sich.
Leander hielt ihr die Tasche hin. »Dann bis morgen.«
Muriel nahm sie entgegen. Sie wollte noch etwas sagen, wusste aber nicht, was, und murmelte stattdessen: »Bis morgen.«
Daraufhin winkte sie Lina zu, wandte sich um und suchte im Gehen den Haustürschlüssel im Bund.
***
Die Stille ihrer Wohnung erschlug sie, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Sie stellte die Tasche neben der Garderobe ab und schlenderte in den Wohnbereich zur Fensterfront.
Eine ganze Weile stand sie dort und starrte auf die Straße, riss dann ihren Blick los und sah sich um. Ihr Anrufbeantworter blinkte. Sie hatte zehn verpasste Anrufe und drei neue Nachrichten. Wie sich herausstellte, waren alle von Emma.
Eben betätigte sie die
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