SehnSucht - Erotischer Roman: Erotischer Roman (German Edition)
Wunsch geschehen. Nun musste er also schauen, wie er sie verdaute.
»Das tut mir sehr leid«, sagte er. »Ich kann verstehen, warum du die Stadt nun meidest. Das muss sehr schwer gewesen sein.«
Muriel bedachte ihn mit einem unverbindlichen Lächeln. »Sicher nicht schwerer als das, was du erlebt hast.«
***
Lina war ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Sie hatte die gleichen grauen Augen, dieselben harschen Linien charakterisierten ihren Mund und ihre Kinnpartie. Das dunkle Haar war in einem Pferdeschwanz zurückgebunden.
Muriel war darauf eingestellt gewesen, eine kleine Prinzessin kennenzulernen, die geflügelte Gummipferdchen aus der rosafarbenen Hello-Kitty-Tasche zauberte, aber Linas Klamotten zeigten keinen Flecken Rosa und waren sehr punkig für eine Neunjährige. Ein bisschen irritiert besann sich Muriel darauf, dass sie selbst mit neun Jahren noch Mickey-Maus-Sweatshirts angezogen hatte. Lina trug ein Lederjackett, das Muriels ganz ähnlich sah, darunter ein schwarzes Shirt, auf dem ein Comic-Girl eine grimmig-genervte Schnute zog. Lilafarbene Leggins und schwarze Converse-Sneakers hätten ihr Outfit eigentlich schon perfekt gemacht, aber da war noch die Stofftasche. Wie Muriel feststellte, war in der Tat eine Katze drauf – eine ehemalige zumindest. Unter einem Katzenkopf-Skull kreuzten sich zwei Knochen.
Leander öffnete seiner Tochter die Tür. Sie hüpfte auf die Rückbank und begrüßte Muriel mit einem saloppen »Hi«. Leander setzte sich hinter das Lenkrad und stellte sie einander vor.
»Ich weiß, dass das Muriel ist«, wurde er von seiner Tochter unterbrochen. »Ihr Foto ist ja über den Artikeln.« An Muriel gewandt sagte sie: »Ich find dich echt cool.«
»Danke«, entgegnete Muriel. »Ich finde dich auch cool. Deine Klamotten sind total stylisch.«
»Erzähl das meinem Dad«, kam es prompt zurück. »Er hasst sie nämlich.«
»Klar. Du bist noch viel zu jung, um dich für Grufties und Skelette zu begeistern«, sagte Leander und fuhr los. »Die Veranstaltung beginnt um vierzehn Uhr, richtig?«
»Ja, zum hundertsten Mal.«
Um ein Grinsen zu verbergen, biss Muriel sich auf die Unterlippe. Sie kannte Lina erst seit wenigen Minuten, aber sie konnte sich lebhaft vorstellen, welch ein Heidenspaß es war, sie zur Tochter zu haben – und dass Leander so manches Mal gar nicht nach Lachen zumute war.
»Wir werden pünktlich da sein«, sagte Leander.
»Wir werden auf den letzten Drücker da sein«, maulte Lina.
»Das ist immer noch pünktlich.«
***
Die Schule befand sich ebenfalls in South Loop und nur einige Blocks vom Appartementkomplex, in dem die beiden wohnten, entfernt. Zu Linas Erleichterung trafen sie bereits eine halbe Stunde vor Beginn des Festes ein. Kaum setzten sie einen Fuß auf das bunt dekorierte Schulgelände, wurde das Mädchen von ihren aufgeregten, schon kostümierten Freundinnen in Empfang genommen und verschwand mit ihnen.
Leander fragte Muriel, ob es ihr etwas ausmachte, wenn sie sich nicht setzten. Muriel hatte nicht nur nichts dagegen, sondern war froh darüber. Wie Leander, mochte auch sie eher im Hintergrund sein und fand es viel angenehmer, im Schatten der Bäume zu bleiben, als sich an einem der Tische zu präsentieren. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie bei der Zusage, Leander auch hierher zu begleiten, einen wichtigen Gedanken nicht bis zu Ende gedacht hatte.
Auf der Presseveranstaltung von Stooch hatte für niemanden ein Anlass zu irgendeiner Spekulation bestanden, denn die meisten kannten sie als Leanders Redakteurin. Auf dem Schulfest hingegen bewegten sich fast ausschließlich Lehrerinnen, Erzieherinnen und Mütter. Selbst wenn sie ihnen als Muriel Jones vorgestellt wurde, würde ihnen das nichts sagen, da der weibliche Leserkreis von KINGz recht überschaubar war.
In der halben Stunde bis zum Beginn des Festes lernte Muriel die Direktorin der Schule und Linas Klassenlehrerin kennen. Erstere sprach über die Vorhaben im neuen Schuljahr, die Zweite über Lina im Unterricht. Für den Fall, dass sie Vermutungen aufstellten, waren sie so professionell, sich nichts anmerken zu lassen.
Die erste Klasse eröffnete das Fest. Als Frösche und Mäuse verkleidet, trällerten die Kleinsten das Lied von einem umherziehenden Frosch so enthusiastisch, dass man beim Zuschauen nachvollziehen konnte, welchen Spaß sie hatten.
»Leander, wie schön, dass du da bist!«, tönte es mittendrin von einer hübschen Blondine, die sich zu ihnen gesellte. Nachdem
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