Sehnsucht FC Bayern
titelträchtigen Endspiele, nichts geändert. Wegen meiner Freude an Freundschaftsspielen werde ich immer noch regelmäßig belächelt, so dass ich mich hier geradezu bemüßigt fühle, eine Lanze für den Besuch solcher Partien zu brechen. Ich brauche keine Spannung bei einem Bayern-Spiel. Mein Leben ist bunt genug. Wenn es nach mir ginge, dann sollte es nach 20 Minuten 3:0 für den FC Bayern stehen, und ich könnte die Begegnung ohne Verlustängste genießen.
Unter sportlichen Gesichtspunkten kommt noch hinzu, dass die Experimentierfreude der Bayern-Trainer in solchen Begegnungen naturgemäß stark ausgeprägt ist. Man lernt auch mal den Rest des Kaders kennen, der sonst fast nie zum Einsatz kommt, und sieht, wie sich Spieler auf für sie ungewohnten Positionen verhalten oder sich auch mal trauen, die technische Überlegenheit mit dem einen oder anderen Kunststück aufblitzen zu lassen – oder es ihnen selbst gegen unterklassige Vereine nicht gelingt. Erkenntnisse, die unter Wettkampfbedingungen kaum möglich sind.
Für den Gegner hat ein Freundschaftsspiel gegen die Bayern aber durchaus Wettkampfcharakter. Es geht um das Prestige, den übermächtigen FCB vielleicht sogar zu besiegen; außerdem haben sich schon Spieler des Gegners bei solchen Auftritten für höhere Aufgaben empfohlen. Und wenn ich an den Besuch der Spiele in Aachen, Kiel oder Magdeburg denke, so könnte ich nun wirklich nicht behaupten, dass die Zuschauer weniger begeistert mitgegangen wären. Zu guter Letzt seien die beiden für mich schwerwiegendsten Gründe genannt. Man spielt endlich mal gegen andere, bisweilen auch namhafte Gegner und lernt zudem Länder und Stadien kennen, in die man mit dem FC Bayern bei Pflichtspielen nie käme. In Zeiten, in denen die Erstrunden-Begegnungen im DFB-Pokal oft genug in benachbarte Bundesligastadien verlegt werden und sich in der Champions League fast immer die gleichen Vereine treffen, bilden Freundschaftsspiele eine echte Abwechslung. Da nehme ich bei Amateurvereinen auch das Rahmenprogramm mit grenzwertigen Darbietungen der örtlichen Frauen-Turnriege vor dem Anpfiff oder des Männer-Gesangvereins in der Halbzeitpause notgedrungen in Kauf.
Nur eine Frage hat man mir noch nicht beantworten können: Welcher Schwachkopf hat eigentlich den Ehren-Anstoß erfunden? Was für ein erbärmliches Schauspiel! Nach dem Besuch von mittlerweile etwa 120 Freundschaftsspielen weiß ich, wovon ich rede. Wer es noch nie erlebt hat, hier ein Drama in 16 Akten: Die Mannschaften stehen bereits wartend auf dem Platz – Bürgermeister und Landrat betreten gemessenen Schrittes das Spielfeld – beide stehen mit flatterndem Sakko und ungeeignetem Schuhwerk unbeholfen im Mittelkreis – gemeinsames Foto der Lokalpresse – Schiedsrichter pfeift an – Landrat tippt gegen den Ball – Ball rollt erstaunliche 50 Zentimeter weit – Jubel bei der politischen Nachwuchsorganisation auf der Haupttribüne – die ersten Nationalspieler fangen wahlweise an zu gähnen oder zu frieren – Schiedsrichter pfeift wieder ab – Schiedsrichter nimmt den Ball auf und verabschiedet Bürgermeister und Landrat per Handschlag – Bürgermeister und Landrat verlassen winkend und damit entsprechend langsam das Spielfeld – Applaus durch Ehefrauen von Bürgermeister und Landrat (als einzige im Stadion!) – Schiedsrichter pfeift jetzt noch einmal an – Landrat und Bürgermeister klopfen sich wie zwei alte Kriegskameraden jovial auf die Schultern (»Waren wir nicht toll?«) – Uli Hoeneß schaut dabei besorgt auf die Uhr, ob man jetzt noch den Rückflug nach München bekommt …
Riesig! Die ganze Albernheit dauert mindestens drei Minuten und ist offenbar keiner lokalen C-Prominenz auszutreiben. Mal ehrlich, wer braucht denn so etwas? Amt und Würde halten ganz offenbar nicht bei jedem Schritt. Manchen ist einfach nichts zu peinlich.
Beckenbauer sei Dank, erkor Premiere in der Rückrunde die Spiele des FC Bayern fast durchgängig zum »Spiel der Woche«. Jede Begegnung eines Spieltages zu übertragen, davon war der Bezahlsender noch eine Weile entfernt. Ich war immer noch zu geizig, mir einen Decoder zuzulegen, und somit auf die Bereitschaft einer Kneipe angewiesen, grundsätzlich auch dann Premiere zu zeigen, wenn das Spiel des 1. FC Köln nicht übertragen wurde. Kein einfaches Unterfangen in der Domstadt. Schließlich entdeckte ich eine Kneipe (»Lätare«) in der Vorgebirgsstraße, ganz in der Nähe des Südstadions, der Heimat von Fortuna
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