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Sehnsucht FC Bayern

Sehnsucht FC Bayern

Titel: Sehnsucht FC Bayern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Radtke
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Ich war sprachlos. Um zu verdeutlichen, warum ich es eigentlich noch heute bin, sei hier ein kurzer Ausflug in die Zukunft gestattet: Diese Konstellation wiederholte sich nämlich am 31. Spieltag der Saison 2003/04. Erneut war der HSV zu Gast in Bremen, und erneut durfte der Ersatztorwart der Hamburger ran. Tom Starke absolvierte sein erstes Bundesligaspiel. Das Ergebnis? 6:0 für Bremen. An dieser Stelle verweise ich nur zu gerne auf die beiden Spielberichte im kicker. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!
    Am letzten Spieltag fuhr ich, genauso wie alle anderen Mitglieder des Fanclubs, bereits mit einem schlechten Gefühl zum Spiel »auf Schalke«. Wenn es den Bayern-Spielern ebenso erging, verwundert mich der Verlauf des Nachmittags nicht. Angesichts der Punktgleichheit mit Werder mussten wir lediglich um ein Tor höher gewinnen als die Bremer, die in Stuttgart antraten. Ausgerechnet Stuttgart. Dort, wo der SV Werder 1986 seinen Titel vergeigte. Unsere Hoffnung trog. Durch drei Tore in der 2. Halbzeit gewannen die Hanseaten glatt mit 3:0. Schalke hingegen hatte mitsamt seinem Anhang nur allzu offensichtliche Freude, dem FC Bayern die Tour zu vermasseln. Das Spiel erlebte wechselnde Führungen und endete 3:3.
    Eigene Trauer ist ja schon schlimm genug, aber wenn Zehntausende anderer Fans ringsum auch noch feixend feiern, ohne als Tabellenzehnter tatsächlich etwas zum Feiern zu haben, dann wird es auch persönlich demütigend. Doch manchmal ist man selber einfach zu niedergeschlagen, um auch noch auf die übelsten Provokationen reagieren zu können. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Ich verabscheue Gewalt und habe anderen Fans noch nie persönliches Leid angetan. Sich aber in solchen Situationen emotional stets im Griff zu haben, verlangt mehr, als es sich ein Fußballfunktionär auch nur ansatzweise vorstellen kann. Mit Shakehands und einem jovialen »Schade für Sie« auf der Ehrentribüne hat das nichts mehr gemein.
    Wer so etwas selbst noch nie erlebt hat, kann sich vielleicht in folgende Situation hineinversetzen: Stellen Sie sich vor, Sie haben einen wichtigen Termin in der Innenstadt und suchen bereits seit 20 Minuten verzweifelt einen Parkplatz. Sie sind ohnehin schon viel zu spät dran, als Sie ein Fahrzeug bemerken, das im Begriff ist, seine Parklücke zu verlassen. Sie freuen sich, atmen auf und setzen brav den Blinker. Sie sind über den Parkplatz so erleichtert, dass Ihnen selbst das umständliche Rangieren des anderen Verkehrsteilnehmers beim Ausparken nichts ausmacht. Sie zeigen Geduld. Als er es endlich geschafft hat, überholt Sie plötzlich ein Porsche und schlüpft in die Parklücke hinein. Dem Porsche entsteigt ein Fahrer, mit dem Sie es körperlich besser nicht aufnehmen. Damit jedoch noch nicht genug, steht ein Halbstarker, dem es eigentlich egal sein könnte, am Straßenrand, verhöhnt Sie und lacht sich über Ihre Blödheit lauthals kaputt. Mal ehrlich, wie würden Sie am liebsten reagieren, wenn Sie könnten?
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

1993/94
    M ENSCHLICHES, ALLZU M ENSCHLICHES
    Die neue Saison plätscherte zunächst so dahin. Erich Ribbeck ließ beim Rückblick auf die abgelaufene Spielzeit den fatalen Satz fallen, er persönlich bräuchte ja gar nicht Meister zu werden, und hatte damit in der öffentlichen Wahrnehmung ein erhebliches Problem. Mit »Mia san mia« verträgt sich so etwas nun mal gar nicht.
    Immerhin berechtigte der zweite Platz aus der Vorsaison wieder zur Teilnahme am Europapokal, was zu Beginn der neunziger Jahre für den deutschen Vizemeister UEFA-Cup bedeutete. Das Erstrunden-Los war mit Twente Enschede wie für uns gemacht und hatte einen abendlichen Ausflug nach Holland zur Folge. Bereits weit vor der Stadtgrenze mussten wir als deutsche Fans unsere Fahrzeuge schwer bewacht auf der grünen Wiese abstellen und gelangten mit Shuttle-Bussen zum Stadion. Mal was Neues! Das sind Eindrücke und Erfahrungen, die nur international zu machen sind. Für den Besuch eines Auslandsspiels des FC Bayern würde ich notfalls fünf Bundesligabegegnungen sausen lassen. Die Atmosphäre eines solchen Spiels ist mit seinen Begleiterscheinungen ungleich dichter und offenbart sich bisweilen in Details. An belanglosen Beispielen wird so etwas am deutlichsten. Im Falle des damaligen Stadions »Het Diekmann« in Enschede war dies das Männer-Pissoir, in das man nicht hineingehen konnte, weil es nur aus einer Backstein-Wand bestand. Diese

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