Sehnsucht FC Bayern
Hamburger SV? Favorit! So ein Blödsinn. Als ob es eine Mannschaft auf diesem Planeten gäbe, die immer und überall gewinnt. Bei Pokalspielen des FCB gegen unterklassige Vereine wurde in den letzten Jahren immer wieder aufs Neue eine mögliche Sensation als Grund für die Fernseh-Live-Übertragung ins Feld geführt. Leider behalten die Sender manchmal Recht.
Der Ursprung lag nicht zuletzt der Saison 1994/95 und hieß Vestenbergsgreuth. 1.500 Einwohner bildeten im öffentlichen Bewusstsein die putzige Kulisse für das größtmögliche Gefälle zwischen Branchenprimus und Hobbykickern. Vestenbergsgreuth: Provinzieller konnte auch selbst der Name nicht klingen. Dass der Verein, dank Unterstützung durch die örtliche Teefabrik, bereits seit einigen Jahren in der höchsten Amateurliga spielte, wurde gerne ignoriert. Es kam, wie es sich für eine selbsterfüllende Prophezeiung gehört: 1:0 für den Underdog. Das ging ja gut los.
Neben dem Erstrunden-Aus im DFB-Pokal begann die Saison als Deutscher Meister auch mit einer 1:5-Klatsche in Freiburg recht turbulent. Giovanni Trapattoni folgte Franz Beckenbauer als Trainer und brachte internationales Flair an die Säbener Straße. Nach dem Kaiser nun also der Maestro. Und nicht nur das. Es gab auch noch den Landesvater. Als Vorsitzender des Verwaltungsbeirates war mir der Bayerische Ministerpräsident bis dahin nie sonderlich aufgefallen. Nun aber trat er generös in Erscheinung: Ich bekam Post aus der Staatskanzlei! »Der Bayerische Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber und seine Frau Karin beehren sich, Sie anlässlich des Gewinns der 13. Deutschen Fußballmeisterschaft … zu einem Empfang in der Staatskanzlei recht herzlich einzuladen.« Also da konnte man wahrlich nicht meckern. Respekt! Damit ließ sich sogar im Kollegenkreis angeben. Hatte man jemals Derartiges von anderen Ministerpräsidenten gehört? Na also! Und dann auch noch für zwei Personen? Nach einem Heimspiel? Das waren gleich zwei gute Gründe, um nach München zu fahren.
Wohl auch mit Blick auf die einen Monat später stattfindende Landtagswahl hatte der Ministerpräsident alle Fanclub-Vorsitzenden mitsamt Begleitung eingeladen. Aber selbst wenn die Einladung tatsächlich diesen Hintergedanken hatte, wischte ich ihn nur zu gerne beiseite. Ich hatte mich ja auch wirklich darüber gefreut. Der Fairness halber sollte nicht unerwähnt blieben, dass Stoiber im Gegensatz zu manchem Politiker-Kollegen seine fußballerische Liebe zum FC Bayern nicht erst mit Übernahme öffentlicher Ämter populistisch für sich entdeckt hat, sondern bereits als Student im Januar 1966 dem Verein als Mitglied beigetreten ist.
Nach dem 3:0-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach ging es also sofort zurück ins Hotel nach Schwabing, rasch umziehen, Krawatte um den Hals und ab in die Staatskanzlei. Dort mit einem Glas Sekt auf den Stufen der Staatskanzlei im Hofgarten, den neugierigen Blicken der vorbeikommenden Touristen ausgesetzt – also, ich räume ein, das hatte was. Für mich war das neu. Selbst Antje, obwohl SPD-Mitglied und alles andere als ein Stoiber-Fan, gefiel das Ambiente ausgesprochen gut. Bei all der nervigen Unruhe, die sie an meiner Seite als Vorsitzender eines Fanclubs aushalten musste, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, sie, und nicht meinen Stellvertreter, als kleines Dankeschön mitzunehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es nicht nur ihr so erging. Es ist wie bei allen Ehrenämtern: Ohne die Toleranz und Mithilfe der Partner funktioniert so etwas nicht. Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit Fußball-Fanclubs erstaunlicherweise bisher nie weiter aufgegriffen wurde. Wenn man sich vor Augen hält, wie viel Ärger es in manchen Beziehungen wegen Fußball gibt, wenn der Mann »nur« eine Dauerkarte hat oder sich Fußball im Fernsehen anschauen will, dann kann man sich ansatzweise vorstellen, was es bedeutet, wenn er sich zusätzlich auch noch um die Organisation eines Fanclubs kümmert. Von entsprechenden Telefonanrufen sonntagmorgens um neun Uhr (»Ey, hasse noch ne Karte für gegen Bochum?«) mal ganz abgesehen.
Ich grüble zwar noch heute, warum es einigen Fanclub-Vorsitzenden erstrebenswert erschien, Stoibers Einladung im Bayern-Trikot wahrzunehmen, aber nun ja, jedem, wie es ihm gefällt. Die Stammspieler lauschten der kurzen Rede Stoibers nur mäßig interessiert und zogen anschließend recht bald wieder ab. Der Empfang drohte, sich in eine gigantischen Autogrammstunde zu verwanden. Nur die
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