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Sehnsucht nach Leben

Sehnsucht nach Leben

Titel: Sehnsucht nach Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaeßmann
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kann, wird innerlich frei. Ich habe das zum ersten Mal begriffen, als ich einem Mann gegenübersaß, von dem ich wusste, dass er abfällig über mich redete, ja, geradezu über mich gelästert hatte. Ich lächelte ihn freundlich an und dachte: Auch du bist ein Geschöpf Gottes. Deine Lästerei über mich sagt mehr über dich als über mich . Und es war spürbar, dass er nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Ich aber spürte eine tiefe innere Freiheit.
    Vielleicht finden wir zu einer solchen Freiheit vor allem dann, wenn wir an den dritten Punkt des Dreiecks kommen: uns selbst lieben . Uns annehmen, wie wir sind. Nicht immer mit allem hadern, was misslingt, wo wir hätten besser sein können, wo ein Fehler vermeidbar war, wo wir unseren eigenen Ansprüchen nicht genügen. Sondern uns selbst annehmen und sagen: „So bin ich. Mit all meinem Scheitern, mit all meinen Brüchen. Gott liebt mich, also kann ich mich selbst auch lieben.“ Wenn uns das gelingt, werden wir entdecken, dass wir überraschenderweise auch die lieben können, die wir auf den ersten Blick überhaupt nicht liebenswert finden. Das ist eine wunderbare Lebenserfahrung. Wahrscheinlich sind Liebe, Freiheit und Lebenslust Geschwister im Glauben. Und die Sehnsucht nach Liebe kann uns auf ihre Spur bringen.
    Wie sagte der Apostel Paulus: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“ (1. Korinther 13,13).

Nachwort
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    Als ich über Sehnsucht nachdachte, kamen mir immer wieder weitere Themen in den Sinn. Die Sehnsucht vieler Menschen nach Wurzeln etwa. Oder die Sehnsucht, dass das eigene Leben Bedeutung hat. Ich musste auch an ein Gespräch mit einer Professorin denken, die nach den Maßstäben unserer Gesellschaft alles erreicht hat, aber doch unsicher ist, wo denn der Sinn liege oder was sie zum großen Ganzen beitragen könne. Eine Freundin schrieb mir: „Ich hadere zwischen Autonomie und Nähewünschen, zwischen Disziplin und Hängenlassen, zwischen Weinen und Mutigsein – und weiß nicht, wo die Balance zu finden ist.“ Eine von vielen schweren Lebenserfahrungen geprägte Frau schrieb: „Ich möchte so gern alles bewältigen, aber manchmal gibt es einen Suizidsog. Da kann und will ich nicht mehr.“ Es ist diese Sehnsucht nach Sinn, nach Lebensbalance, denke ich, die sich da zu Wort meldet. Die Sehnsucht, einfach irgendwohin zu gehören, Bedeutung zu haben, das eigene Leben nicht zu verschwenden, sondern etwas zu widmen. Ein Aufschrei der Seele, die nach einem Ort sucht, an dem sie Ruhe findet. Ständig werden wir getrieben, angefragt, kritisiert – dabei möchten wir einfach loslassen können und wir selbst sein, umgeben von Menschen, die uns lieben und so annehmen, wie wir sind. Wir wollen auch unsere Lebensenergie nicht verschwenden, sondern verschenken oder für ein sinnvolles Ziel einsetzen.
    Ich bin auch vielen Menschen begegnet, die Sehnsucht danach haben, beten zu können. Es lag ihnen auf der Zunge, wollte aber nicht über ihre Lippen kommen: „Lieber Gott!“ Ihnen fehlten die Worte; sie wussten nicht, wie sie anfangen sollten. Oft half es ihnen, einfach mit Martin Luther zu sagen: „Fang an!“ Einmal am Tag ein Vaterunser. Kein großes Brimborium, einfach einen eigenen Dialog mit Gott. Die Sehnsucht nach Gebet ist ja im Grunde die Sehnsucht nach Gott.
    Letzten Endes teilen wir alle die Sehnsucht danach, dass unser Leben einen Sinn hat. Ob uns nun viele oder wenige Jahre geschenkt sind – wir wollen nicht nur ein Zufallsprodukt sein. Wenn wir denn schon sterben müssen, so soll doch die Lebenszeit auf dieser Erde wenigstens irgendeine Bedeutung haben. Der christliche Glaube sagt: „Du wirst diesen Sinn nie in dir selbst finden. Er wird dir von außen zugesprochen. Von Gott. Dein Leben hat einen Sinn, weil Gott dich wertschätzt und sich etwas gedacht hat, als er dich ins Leben rief.“ Wir müssen also nicht jeden Tag neu um einen Sinn ringen, sondern können unser Leben frei und gelassen leben, denn wir werden gehalten. Und dieses Bewusstsein gibt uns – im wahrsten Sinne des Wortes – Haltung.
    Mehr als ein Mal in meinem Leben habe ich einen Vers von Arno Pötzsch zitiert: „Du kannst nicht tiefer fallen als in Gottes Hand.“ Sehr unterschiedliche Menschen haben mir geschrieben, dass sie das

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