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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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Aufprall bekam er eine Querstrebe des Gerüsts zu fassen, die seinen Sturz für einen Augenblick abbremste, bevor er unten hart aufprallte. Der Mann war verletzt, aber nicht tot. Vor Schmerz wimmernd blieb er auf dem Boden liegen, während sich rasch eine Menschentraube um ihn bildete. Ratlos starrten ihn die Menschen an und blickten voller Bedauern auf seinen rechten Arm, der in einer unnatürlichen Stellung von seinem Rumpf abstand. Allen war klar, dass der Unfall den Mann zu einem Krüppel gemacht hatte. Von nun an würde er sich nicht mehr um seine große Familie kümmern können. Jella dachte nicht lange nach. Sie verschaffte sich Platz und eilte zu dem Verletzten. Um sie herum ertönte Murren und Unmut. »Kümmere dich um deine eigene Familie«, keifte eine Frau in rotem Sari. »Der Mann braucht dein Mitleid nicht.« Jella scherte sich nicht darum. Sie vermutete, dass der Arm nur ausgekugelt war, und kniete nieder, um den Mann zu untersuchen. Bevor sie ihn berührte, erklärte sie kurz, dass sie Ärztin sei. Doch der Mann wehrte sie erschrocken ab und rutschte trotz seiner Schmerzen von ihr weg.
    »Berühr mich nicht!«, rief er mit weit aufgerissenen Augen.
    »Ich will dir helfen«, beruhigte sie ihn auf Hindi. Sie musste all ihren Wortschatz zusammenkratzen, um ihm geduldig zu
erklären, dass er Glück gehabt hatte und nicht weiter schwer verletzt war. »Wenn du mir vertraust, dann verspreche ich dir, dass du bald wieder hier arbeiten kannst.«
    Die Tatsache, dass sie die Sprache der Einheimischen sprach, beruhigte nicht nur den Verletzten, sondern fand auch bei den Umstehenden Beifall. Schließlich ermunterten sie den Verletzten sogar, sich von der Fremden helfen zu lassen.
    »Du versprichst mir wirklich, mich zu heilen?«, fragte der Mann zum wiederholten Mal. In seiner Stimme war immer noch Misstrauen. Jella nickte geduldig. »Allerdings wird es ziemlich wehtun«, fügte sie hinzu.
    Der Mann nickte. »Du kannst mich anfassen«, meinte er schließlich. Sie ließ es sich nicht zweimal sagen. Kurz entschlossen griff sie mit der einen Hand an die Schulter und zog mit der anderen ruckartig an dem verletzten Arm. Ein hörbares Knacken, gefolgt von einem gellenden Schrei, und der Arm war wieder in seinem Kugelgelenk. Gebannt verfolgte die Menge, was nun geschah.
    »Versuche deinen Arm anzuheben«, gebot ihm Jella. Mit schmerzverzerrtem Gesicht gelang es dem Arbeiter, ihn leicht anzuheben. Dann strahlte er.
    »Ich kann ihn wieder bewegen!«, rief er jubelnd. Sofort setzte unter den Umstehenden eine heftige Diskussion ein. Aus dem anfänglichen Murren war mittlerweile beifällige Zustimmung geworden.
    »Du musst den Arm noch eine Zeit lang schonen«, ermahnte Jella ihren Patienten. »Komm mit mir in meine Praxis. Dort lege ich dir einen hilfreichen Verband an.« Der Arbeiter folgte ihr nun bereitwillig. Gestützt von seinen Kollegen und verfolgt von einer Schar Neugieriger begaben sie sich zu Jellas Praxis. Das »Wunder« sprach sich in Windeseile herum, und schon bald konnte sich Jella vor neuen Patienten nicht mehr retten. Schon nach kurzer Zeit hatte sie so viel zu tun, dass sie sich nur noch
um die einfachen Leute kümmern konnte, was ihr den Spitznamen Memsahib Dawa einbrachte, was so viel wie Medizinfrau bedeutete.
     
    Fritz erhob sich von seinem Stuhl und lehnte sich an eine der bogentragenden Säulen der Terrasse. Die letzten Strahlen der Sonne verglommen im See und tauchten ihn in vollkommene Dunkelheit. Einzelne Lichter erschienen wie tanzende Punkte.
    »Ich habe läuten hören, dass wir zum Jahresfest des Maharanas eingeladen werden. Das wäre ein großer Aufstieg für uns«, meinte er und riss Jella damit abrupt aus ihren Gedanken.
    »O nein, verschone mich«, stöhnte sie, als ihr der Gehalt seiner Worte bewusst geworden war. »Allein der Gedanke, mit all den englischen Ladys und den fürstlichen Hofdamen Konversation zu betreiben, verursacht mir Kopfschmerzen. Darauf kann ich gut verzichten.«
    Fritz verzog ärgerlich das Gesicht.
    »Es gehört nun mal zu unseren Pflichten. Wir können uns nicht immer aus allem heraushalten. Die Engländer und auch einige Adlige am Hof zerreißen sich ohnehin schon ihre Mäuler über unser Leben. Wenn wir eine Einladung bekommen, was dank Lady Gainsworthys Einfluss möglich sein könnte, dann erwarte ich, dass du mit mir dorthin gehst.«
    »Lady Gainsworthy, natürlich«, meinte Jella spitz. »Ich hätte mir denken können, dass sie dahintersteckt.«
    »Ich bin der

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