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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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obwohl es ihm seine weißen Mitschüler nicht immer leicht machen. Er schweigt sich darüber aus, aber ich weiß aus erster Hand, dass selbst einige Lehrer gegen ihn sind, weil er ein Mischling ist. Aber die Schikane wird bald ein Ende haben, wenn der Junge wieder auf der Farm ist. Es wird noch ein Stück Arbeit kosten, ihm seine Flausen aus dem Kopf zu treiben. Er ist ein schwieriger junger Mann geworden, der noch nicht einsehen will, dass sein Platz an meiner Seite ist. Leider lässt ihm seine Mutter viel zu viel durchgehen. Sie ist eben eine Himba und wird nie verstehen, warum es wichtig ist, dass der Junge einmal mein Nachfolger wird. Wozu soll ich denn sonst all die Jahre geschuftet haben? Ich habe Owitambe für meine Kinder aufgebaut! Da du das Land verlassen musstest, ist es jetzt seine Aufgabe, die Farm in die Zukunft zu führen. Aber der Junge zeigt kein Interesse für den Farmbetrieb. Er liebt Automobile, von denen es jetzt zunehmend mehr in Südwestafrika gibt, und er streitet gern. Sein Gerechtigkeitsgefühl ist schon beinahe krankhaft. Die harte Arbeit wird ihm wohl helfen, seine Hörner abzustoßen. Meine Hoffnung ruht darin, dass er nach der Schule mehr Einsicht zeigt. Vielleicht war es ja nur der Einfluss der Stadt, der ihn auf den falschen Weg gebracht hat …
    Es folgten noch weitere Ausführungen über die politischen Veränderungen der letzten Jahre. Johannes ließ sich lang und
breit darüber aus, wie sehr sich das Land verändert hatte, seitdem im Jahre 1915 die Südafrikanische Union während des Ersten Weltkriegs Deutsch-Südwest eingenommen und unter ihr Mandat gestellt hatte. Seit den Versailler Verträgen gab es nun auch offiziell keine deutschen Kolonien mehr. Einige deutsche Siedler waren von den Südafrikanern nach Deutschland zurückgeschickt worden, andere arrangierten sich mit den Südafrikanern und bewirtschafteten weiterhin ihre Farmen. Darunter waren auch Johannes und sein Nachbar Baron von Nachtmahr gewesen. Der Einfluss aus Südafrika machte sich bald überall bemerkbar. Immer mehr Buren zogen in das Land und übernahmen die verlassenen Farmen. Mit ihnen kam auch der zunehmende Rassismus. Die Forderungen nach Homelands wurden immer lauter. Demnach sollte jeder der vielen einheimischen Bevölkerungsgruppen ein eigenes Territorium zugewiesen werden, das sie nicht dauerhaft verlassen durften. Johannes’ Empörung wirkte echt, gleichzeitig aber auch resignierend.
    Wenn die Südafrikaner ihre Pläne tatsächlich umsetzen, dann verliere ich die meisten meiner Arbeiter und Teilhaber. Ovambos, Herero, Nama und Damarra, sie müssten alle die Farm verlassen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was das für uns bedeutet. Du glaubst nicht, wie sehr ich mir jeden Tag wünsche, dass Ihr damals nicht gezwungen worden wäret, das Land zu verlassen. Ich bin ein alter Mann und langsam müde vom vielen Kämpfen.
    Ich wünsche Euch sehr, dass Ihr alle gesund und guter Dinge seid.
    Mit herzlichen Grüßen von allen auf Owitambe
    Euer
    Vater, Schwiegervater und Großvater
    Jella ließ den Brief auf ihren Schoß sinken und schloss einen Moment die Augen. Wie gern wäre sie jetzt auf Owitambe und
würde ihrem Vater helfen! Sie sehnte sich nach dem spröden Charme dieser weiten Landschaft, nach den Tieren, den Menschen dort und vor allem nach ihrer Familie, die sie dort gefunden hatte.
    Bei aller Sehnsucht wusste sie, dass sie nicht klagen durfte. Hatte nicht Indien ihr das ermöglicht, wovon sie all die Jahre geträumt hatte?
    Sie war Ärztin geworden, auch ohne Universitätsabschluss und enge Konventionen. Dass sie hier in Indien eine neue Heimat und Lebensperspektive gefunden hatten, hatten sie Rajiv Singh zu verdanken. Es war seine Idee gewesen, dass sie in seinem Heimatland Zuflucht suchten. Er hatte ihr kurz vor ihrer Flucht einen schwarzen Edelstein aus den Bergen Rajasthans überreicht, der in eine sternförmige, goldene Fassung eingelassen war. Auf den ersten Blick wirkte der Stein wie ein Onyx, aber wenn man ihn genau betrachtete, dann tanzte auf seiner geschliffenen Oberfläche ein weißer Stern. Der »Star of India« war ein äußerst seltener Stein, der Maharadschas und ihren Angehörigen vorbehalten war. Ihm wohnte die Kraft inne, seinen Träger auf Reisen zu beschützen.
    »Geht damit zu Salim Mohan«, hatte Rajiv ihr eingebläut. »Er ist ein alter Freund und wird euch helfen, sobald ihr ihm den Stein zeigt. Aber hütet euch, den Stein den falschen Leuten zu zeigen. Ich habe mächtige Feinde

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