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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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am Hof in Udaipur, die den Stein erkennen würden und sich über euch indirekt an mir rächen könnten.«
    Ihre Flucht hatte sie damals von der Walfischbucht über Kapstadt nach Bombay geführt. Von dort waren sie mit der Eisenbahn durch die Wüste Thar nach Udaipur gereist, der Hauptstadt des Maharana von Mewar. Es hatte einige Mühen gekostet, bis es ihnen gelungen war, bei Salim Mohan vorzusprechen. Er war der Leibarzt der fürstlichen Familie und hatte einigen Einfluss. Als Angehöriger der obersten Kaste war es
unter seiner Würde, unbedeutende Mlecchas, wie die Ungläubigen genannt wurden, zu empfangen. Erst als Fritz den damaligen englischen Chief Commissioner, den höchsten Kolonialbeamten des Reiches, um Hilfe bat, erhielten sie endlich eine Audienz. Jella war äußerst skeptisch gewesen, was diesen Hofarzt betraf. Wieso sollte er ihnen behilflich sein, wenn er jetzt schon so überheblich war? Es kam ihr unendlich arrogant vor, dass er sich so zierte, sie zu empfangen. »Der ist ja eingebildeter als der Kaiser!«, hatte sie sich empört. Damals hatte sie noch keine Ahnung von dem komplizierten indischen Kastensystem gehabt. Der Empfang hatte tatsächlich etwas frostig begonnen. Salim Mohan ließ sie spüren, dass er sie mehr oder weniger nur aus erzwungener Höflichkeit empfing. Über zwei Stunden ließ er die Familie warten, bevor er sich bequemte, sie zu begrüßen. Dann allerdings besann er sich der traditionellen Gastfreundschaft der Rajputen und führte sie in einen kunstvoll bemalten Raum seines Haveli, dessen geschwungene Fenster einen Blick auf den mächtigen Stadtpalast des Maharana zuließen. An den Wänden waren Darstellungen des Flöte spielenden Gottes Krishna, der von mehreren Gespielinnen umtanzt wurde. Auf dem schwarzweißen Intarsienboden war ein kostbarer, in hellen Blautönen geknüpfter Seidenteppich ausgelegt, in dessen Mitte ein niedriger Sandelholztisch stand. Als Sitzgelegenheit dienten bunte, bestickte Kissen. Salim bot ihnen Platz an und ließ für sie Tee und für Ricky mit Limone und Minze aromatisiertes Wasser bringen. Der Leibarzt des Maharana war ein schlaksiger Mann mit einer dicken Brille, die seine dunklen Augen stark vergrößerte. Sein grüner Turban war fast größer als sein Kopf, und seine leichte Baumwollhose, über die er ein knielanges Hemd trug, schlotterte um seine knochigen Glieder. Salim Mohan kam rasch auf den Punkt.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte er ohne Umschweife. Jella war überrascht, weil sie sich auf ein langes, belangloses Vorgeplänkel
eingestellt hatte. Jedoch kam seine direkte Art ihr wiederum sehr entgegen. Gegen alle Sitte übernahm sie das Wort. Sie zog den »Star of India« aus ihrer Tasche und überreichte ihn ihrem Gastgeber.
    »Wir sollen Sie von Rajiv Singh grüßen. Es geht ihm gut. Er lebt jetzt in Afrika.«
    Nun war es an dem Hofarzt, überrascht zu sein. Er sah abwechselnd den Stein und dann wieder sie an. Beinahe ehrfurchtsvoll strich er über die glänzende Oberfläche des schwarzen Juwels.
    »Rajiv lebt«, sagte er gerührt. »Der Stein sagt mir, dass ihr ihm sehr nahestehen müsst. Er hätte ihn niemals weggeben, wenn ihr nicht in großer Not gewesen wäret. Erzählt, wie ich euch helfen kann.«
    Sie mussten ihm nun alles, was sie über Rajiv wussten, erzählen. Fritz erwähnte auch, dass sie aus politischen Gründen gezwungen waren, ihre afrikanische Heimat zu verlassen. Er gab keinen genauen Grund an, aber das interessierte den Arzt auch nicht. Er war so fasziniert von Rajivs Schicksal und ihrer Geschichte, dass er immer wieder ungläubig den Kopf schüttelte. Die Freude über das glückliche Schicksal seines Freundes erfüllte ihn immer mehr. Ohne dass sie um etwas bitten mussten, erklärte sich Salim bereit, ihnen in ihrer neuen Heimat behilflich zu sein. Es war kein leeres Versprechen. Innerhalb kürzester Zeit organisierte er für sie ein geräumiges Haus, ein Haveli, das einstmals einem Kaufmann gehört hatte. Da sie nur wenig Geld besaßen, hatten sie erst das großzügige Angebot abgelehnt, aber Salim wollte davon nichts wissen. »Die Miete könnt ihr mir bezahlen, wenn Fritz sein erstes Gehalt bekommt«, hatte er schmunzelnd gemeint und ihnen dann mitgeteilt, dass der Maharana einen neuen obersten Tierpfleger suchte, was gleichbedeutend war mit der Stelle eines Tierarztes. Fritz’ Behinderung spielte dabei keine Rolle, denn es gab genug kundige
Helfer, die ihm zur Hand gehen konnten. So fügte sich eins ins andere, und

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