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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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rauchten, mondän und weltgewandt, während die Offiziere in ihren gebügelten Ausgehuniformen steif und hölzern wirkten. Sie selbst trug ein bodenlanges, enges Tanzkleid aus weicher, blauer Seide, das ihr Jamina nach der Vorlage einer englischen Modezeitung geschneidert hatte. Der zartblaue Stoff unterstrich ihren hellen Teint und verlieh ihr etwas von einer Elfe. Die schweren schwarzen Haare hatte sie zu einer Hochsteckfrisur getürmt. Um ihren Hals trug sie einen tiefblauen tropfenförmigen Saphir, den ihr Salim zu ihrem fünfzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Selbst ihre Mutter hatte sich für diesen Anlass zu einem neuen Kleid überreden lassen. Sie trug ein gerade geschnittenes, grünes Satinkleid mit schmalen Trägern. Vorder- und Rückendekolleté waren gleichermaßen groß. Der einfache Stoff war mit feinen Glasperlen in derselben Farbe durchsetzt. Seit einiger Zeit trug sie ihre Haare nur noch halblang. Ihre wilde Lockenpracht bändigte sie mit einem Stirnband, das als Verzierung einen limonengrünen Topaz hatte und gut zu der Farbe ihrer Augen passte. Ricky fand ihre Mutter wunderschön. Einige der indischen Gäste waren ebenfalls europäisch gekleidet. Ricky kamen sie irgendwie seltsam vor, weil sie zwischen ihren traditionell gekleideten Landsleuten fast wie Fremdkörper wirkten.
    Die große Tür des Seiteneingangs ging auf. Ricky rechnete damit, dass nun der Maharana eintreten würde, doch stattdessen kam seine Familie in den Saal. Die Rana, die Frau des Herrschers, war nicht darunter, aber seine fünf Kinder und andere Mitglieder der königlichen Familie. Da Ricky nicht sehr
groß war, konnte sie nur einen oberflächlichen Blick auf sie werfen, bevor sie sich unter die Menge mischten. Ricky entdeckte Sally O’Brian. Sie war eine Mitschülerin von ihr und als Tochter eines englischen Offiziers ebenfalls eingeladen. Sie winkte ihr zu und gab ihr mit Zeichen zu verstehen, dass ihr Tischplatz bei ihr sei. Ricky wollte sich gerade zu ihr begeben, als sie angesprochen wurde.
    »Schön, dich wiederzusehen, schöne Unbekannte!«
    Ricky drehte sich um. Direkt vor ihr stand der junge Mann, der sie nach dem Wagenfest aus dem Labyrinth der Gassen geführt hatte. Überrascht nahm sie seine Erscheinung wahr. Er war in prächtige Gewänder gekleidet. Der Stoff seiner knielangen Jacke war mit Gold- und Silberfäden durchwirkt, auf denen kleine Perlen gestickt waren. Darunter trug er eine eng anliegende, dunkle Seidenhose und weiche, hellbraune Lederstiefel mit hochgebogenen Spitzen. Der Turban auf seinem Kopf war aus demselben Material wie seine Jacke. In seiner Mitte prangte ein taubeneigroßer Rubin.
    »Heißt das, du gehörst zur königlichen Familie?«, platzte es unvermittelt aus ihr heraus. Der junge Mann lachte herzlich.
    »Daran kann ich leider nichts ändern«, meinte er mit einer leichten Verbeugung. »Mein Name ist Mukesh al wa Khan aus der Dynastie der Lisodier. Ich bin der älteste Sohn des Bruders des Maharana.«
    »O je!« Ricky hielt sich die Hand vor den Mund und versuchte sich zu erinnern, was Jamina ihr über die Hofetikette erzählt hatte. Außer einem Knicks fiel ihr nicht viel ein. Allerdings wäre sie sich ziemlich albern dabei vorgekommen. »Sehr erfreut, Eure Majestät«, meinte sie deshalb steif.
    Mukesh verzog sein Gesicht. »Willst du nicht lieber Mukesh zu mir sagen?«, fragte er. »Du würdest mir eine große Freude damit machen. Ich gebe nämlich nichts auf die ganze Etikette.«
    Er deutete auf die Menschen um sich herum. »Das alles hier
ödet mich ziemlich an«, meinte er gelangweilt. »Keiner der Menschen hier sagt, was er wirklich denkt. Das wahre Leben findet nicht hinter den Palastmauern statt, sondern da draußen.«
    Ricky sah den jungen Neffen des Maharana befremdet an. Sie selbst war beeindruckt von dem Reichtum um sie herum und konnte sich kaum etwas Aufregenderes vorstellen.
    »Das verstehe ich nicht«, gab sie unumwunden zu. »Ich wäre froh, wenn ich hier leben könnte. Es muss herrlich sein, tun und lassen zu können, was man will!«
    Mukeshs Miene verdüsterte sich.
    »Das sagst du nur, weil du den goldenen Käfig, in dem wir leben, nicht kennst. Ich darf noch nicht mal ohne Erlaubnis meines Vaters den Palast verlassen – und wenn, dann nur zu öffentlichen Anlässen. Beinahe jede Minute meines Lebens ist verplant. Es …« Etwas abrupt unterbrach er sich und starrte an ihr vorbei ins Leere. Dann besann er sich wieder und fragte sie höflich nach ihrem Namen. Ricky

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