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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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milder. »Ich möchte, dass du mich näher kennenlernst.«

    Ricky wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Es war ihr peinlich, gleichzeitig fühlte sie sich geschmeichelt. Zum Glück musste sie nicht darauf antworten, denn ein Gong erklang, woraufhin der Maharana den Durbar betrat. Alle drehten sich in Richtung des Herrschers und machten ihm eine Gasse frei, durch die er zu seinem Thron schritt. Nur Mukesh schien das nicht weiter zu beeindrucken. Er tippte Ricky leicht auf die Schulter.
    »Soll ich dir den Palast zeigen?«, fragte er. Ricky reagierte erst nicht. Sie war viel zu vertieft in den faszinierenden Anblick des Respekt einflößenden Maharanas.
    »Du interessierst dich doch für die Tänzerinnen aus dem Gurukulam. Sie werden heute Abend ebenfalls auftreten. Wenn du willst, zeige ich dir, wo sie untergebracht sind.«
    Beim Wort »Tänzerinnen« merkte sie auf. So beeindruckt sie von der zur Schau gestellten Pracht war, Tanz und Musik interessierten sie mehr. Sie fühlte, wie ihr Herz vor Vorfreude schneller zu schlagen begann. »Das würdest du wirklich tun?«, fragte sie aufgeregt. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob es schicklich war, sich so einfach mit einem Unbekannten davonzumachen. Sie hätte wenigstens ihren Eltern Bescheid geben müssen, aber dann entschied sie sich dagegen.
    »Lass uns gehen«, meinte sie munter.

    Jella trennte sich nur ungern von ihrem väterlichen Freund Salim Mohan, als die Aufforderung erging, an den Tischen Platz zu nehmen. Sie sah sich nach Fritz um, der in ein angeregtes Gespräch mit dem Chief Commissioner und einem indischen Abgeordneten vertieft war. Sie seufzte. Fritz war ihr ein Rätsel. Er schien sich inmitten dieses Wolfsrudels auch noch wohlzufühlen.
    »Sieh an, Misses van Houten«, flötete jemand hinter ihr.
Jella wandte sich unangenehm berührt um. Hinter ihr stand Lady Gwyneira Gainsworthy und musterte sie unverhohlen von oben bis unten. Automatisch begann sie an ihrem Kleid zu zupfen. Gleichzeitig ärgerte sie sich, dass sie sich von dieser Frau so leicht verunsichern ließ. Sie nickte ihr mit einem steifen Lächeln zu.
    »Lady Gainsworthy!«
    Die Frau des Chief Commissioners legte ein gekünsteltes Lächeln auf, bevor sie genüsslich einen langen Zug aus ihrer schwarz lackierten Zigarettenspitze nahm. Ihre behandschuhte linke Hand hatte sie dabei adrett auf die Hüfte gestützt. Jella musste widerwillig zugeben, dass sie dabei eine ausgesprochen gute Figur machte. Die etwa dreißigjährige Lady Gainsworthy war gut einen Kopf kleiner als Jella und gertenschlank. Ihre weißblonden Haare trug sie als modernen Pagenschnitt, wobei fein ondulierte Löckchen ihre Stirn wie das Muster einer griechischen Vase schmückten. Dazu trug sie ein eng anliegendes blassrosa Seidenkleid, das gerade mal bis zu ihren Knien reichte. Die Brustwarzen ihrer kleinen, aber wohlgeformten Brüste waren durch den Stoff unanständig deutlich sichtbar. Um Hals und Arme trug sie eine dunkelblaue Federboa. Lange, juwelenbesetzte Ohrringe baumelten bis zu ihren Schultern. Ihre großen Augen, deren Blick oftmals ins Leere ging, waren von einem kalten, verschwommenen Blau. Jella erinnerten sie an die Augen eines Fisches. Lady Gainsworthy war sich ihrer Wirkung bis ins kleinste Detail bewusst. Jede Bewegung, jede Geste und jeder Augenaufschlag waren bei ihr geplant. Als sie den Rauch ihrer Zigarette ausstieß, blies sie ihn so knapp an Jellas Kopf vorbei, dass diese husten musste.
    »Verzeihen Sie«, meinte sie nachlässig. »Das war wirklich ungeschickt von mir.«
    Jella lag eine unfreundliche Antwort auf der Zunge, doch dann beherrschte sie sich und zwang sich zu einem erneuten gefrorenen
Lächeln. Es war deutlich zu spüren, dass Lady Gainsworthy es darauf anlegte, sie lächerlich aussehen zu lassen. Tatsächlich begann Jella bereits, sich neben der so viel zarteren, geschmeidigen Erscheinung der Engländerin derb und unbeholfen vorzukommen.
    Lady Gainsworthy genoss ihre Überlegenheit. Sie hakte sich ohne zu fragen bei Jella ein und teilte ihr mit, dass sie und Fritz die Ehre hätten, heute an ihrem Tisch Platz zu nehmen.
    »Ich habe es Fritz … ähm … Ihrem Mann zuliebe arrangiert, dass Sie beide bei uns sitzen können«, tat sie verschwörerisch. »Es war nicht leicht, den Zeremonienmeister davon zu überzeugen, dass Ihr Platz nicht bei dem indischen Personal, sondern bei uns Europäern ist.«
    »Wie freundlich von Ihnen«, presste Jella hervor. Das war eine glatte Lüge. Sie

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