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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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nicht mehr als ein oberflächliches Kopfnicken übrig. Jella kochte. Sie hasste dieses gesellschaftliche Getue, aber
am meisten missfiel ihr, wie Fritz sich von dieser Frau umgarnen ließ. Oder bildete sie sich das nur ein? Am liebsten hätte sie ihn sofort darauf angesprochen, doch Ricky hakte sich gut gelaunt in ihren anderen Arm ein und plauderte ohne Unterlass.
    »Hast du gesehen, wie prächtig die ganze Stadt geschmückt ist?«, fragte sie. »Die Häuser und Straßen, ja die meisten Zuschauer sind mit Blumengirlanden geschmückt. Ich rieche ihren Duft bis hierher! Ist das nicht wunderbar?«
    Die geladenen rajputhischen und englischen Gäste schritten gemeinsam entlang der mächtigen Palastmauer durch einen weitläufigen Garten, der sie unter duftenden Rosenlauben, vorbei an munter plätschernden Springbrunnen, zur Durbar, der Audienzhalle des Maharanas, führte. Der Garten lag an der rückwärtigen Seite des Palastes und war dem See abgewandt. Ricky stellte staunend fest, dass der mächtige, elfenbeinweiß getünchte Palastkomplex eigentlich aus vier Hauptpalästen und vielen kleinen Zusatzgebäuden bestand. Die unteren Stockwerke hatten einen festungsartigen Charakter mit nur wenigen Fenstern, die vergittert waren. Der schmucklose, lediglich zu Verteidigungszwecken dienende Unterbau wurde durch einen verschwenderisch gestalteten Überbau ergänzt. Es gab Terrassen, kunstvolle Balkone, luftige Pavillons auf runden Türmen, die eine wundervolle Sicht auf den Picholasee und die Aravalliberge erlaubten. Ihre Dächer waren vergoldet und blinkten im Sonnenlicht, dass Ricky die Augen zukneifen musste. Als sie schließlich die Durbar betraten, hielt sie vor Staunen die Luft an. Im Laufe der Jahre hatte sie schon viele schöne Häuser zu sehen bekommen, aber die Audienzhalle des Maharana übertraf einfach alles. Was für ein verschwenderischer Reichtum! Ricky schätzte, dass die Durbar mindestens hundert Meter lang und dreißig Meter breit war. Die Halle war ein hoher Raum mit einem Galerieumlauf unter der Decke. Fritz erklärte ihr, dass die Frauen der Maharanas von dort oben unbemerkt die
zeremoniellen Abläufe und Empfänge beobachten konnten. Bis vor Kurzem war es ihnen nicht erlaubt gewesen, bei offiziellen Anlässen persönlich anwesend zu sein. Der untere Teil der Halle bot an einer Längsseite mehrere Bogennischen, von denen eine erhöht und besonders groß und prächtig ausgestattet war. Hier stand der Thron, von dem aus der Maharana den ganzen Saal im Auge behalten konnte. Die Wände zwischen den Nischen waren mit lebensgroßen Porträts vormaliger Maharanas geschmückt. Feine ornamentale Wandmalereien und Spiegel ergänzten den Schmuck. An der Decke prangten gewaltige Kristalllüster, die der Maharana eigens in Europa hatte anfertigen lassen. Sie reflektierten das Licht der Lampen, das sich in den zahlreichen Spiegeln vervielfachte und den Saal zusätzlich erhellte. Zwischen den Lüstern hingen gewaltige rote Fächer, die man bei Bedarf absenken und schwenken konnte, um die Gäste mit frischer Luft zu verwöhnen. Für das Dinner anlässlich des Krönungstages waren Tische aufgestellt worden, die jeweils acht Personen aufnehmen konnten. Kostbare Kristallgläser und feinstes englisches Porzellan glänzten auf den blütenweißen Damasttischdecken. Zwischen den eintreffenden Gästen tummelten sich unauffällig Diener in weißen, knielangen Kurtas und schmalen Hosen. Um die Hüften hatten sie rote Stoffgürtel gebunden. Auf ihren Köpfen trugen sie rote Rajputhenturbane. Auf Silbertabletts boten sie den Gästen kalte Getränke an. Ricky nahm sich eine kühle Zitronenlimonade und sah sich suchend um. Ihre Mutter war in ein Gespräch mit Salim Mohan vertieft. Sicherlich sprachen sie wieder über medizinische Dinge. Ihr Vater unterhielt sich mit dem Chief Commissioner und seiner Frau, was mindestens ebenso langweilig war. Ricky beschloss, sich ein wenig umzusehen, bevor sie ihren Tischplatz suchte, der bei den jüngeren Teilnehmern des Festes sein würde. Der Maharana und seine Familie waren noch nicht erschienen, was die Gäste ausnutzten, um einander zu begrüßen
und belanglose Höflichkeiten auszutauschen. Einige englische Ladys trugen die mittlerweile in Europa modern gewordenen knielangen Cocktailkleider mit gewagten Ausschnitten, die von langen Federboas notdürftig verdeckt wurden. Ricky fand ihre ondulierten Pagenfrisuren elegant und die Art und Weise, wie sie ihre Zigaretten auf langen Perlmuttspitzen

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