Sehnsucht nach Owitambe
Geistern gegangen ist. Es geht mir gut, denn jetzt bin ich bei unseren Ahnen. Warum rufst du nach Hilfe?«
»Ich suche meine Sternenschwester«, sagte Nakeshi, die spürte, dass ihre Kräfte langsam nachließen. »Ich muss sie finden, um sie zurückzurufen.«
Sheshe nickte. Ihr Blick war traurig und hoffnungslos, doch ihre Stimme klang zuversichtlich, so wie Nakeshi sie immer in Erinnerung gehabt hatte.
»Ein Teil deiner Sternenschwester irrt durch die Anderswelt. Ich habe sie gesehen. Sie hat sich selbst verloren. Du kannst sie nicht mehr retten.«
»Zeig mir den Weg! Ich werde es dennoch versuchen!«
Nakeshi wollte Sheshes Hand greifen. Doch diese hielt sie für einen Augenblick zurück. »Ich kann dich hinbringen, aber nicht mehr zurück. Weißt du, was das bedeutet?«
Nakeshi schluckte, aber dann nickte sie tapfer. »Ich werde vielleicht für immer hierbleiben müssen.«
»Wer weiß?«, murmelte Sheshe.
Sie glitten durch den dichten Nebel, bis sie in eine höhlenähnliche Umgebung kamen, die sich stark verzweigte. Wie ein Labyrinth führten zahllose Gänge in unterschiedliche Richtungen. Nakeshi hatte schnell die Orientierung verloren, denn sie musste aufpassen, dass sie Sheshe nicht verlor. Endlich gelangten sie an das Ende eines Ganges, der sich zu einem kleinen
Höhlenraum weitete. Nakeshi wollte hineingehen, doch Sheshe hielt sie zurück.
»Ich muss jetzt wieder gehen. Von jetzt an bist du allein auf dich gestellt.«
Sie winkte ihr traurig zu und löste sich vor ihr auf. Nakeshi schluckte. Sie fühlte, wie sich auch ihr Geist in dieser Anderswelt aufzulösen versuchte, und kämpfte tapfer dagegen an. Plötzlich spürte sie die Anwesenheit eines anderen Ahnen, und tiefes Glück durchfuhr sie.
»Debe, mein Vater«, lächelte sie. »Was machst du denn hier?«
Debe kicherte, so wie er es oft während seines Lebens getan hatte. Sie drehte sich um sich selbst, um ihn zu entdecken, aber ihr Vater war nur in ihren Gedanken bei ihr.
»Geh, mein Kind«, meinte er freundlich. »Geh weiter und tu das, weshalb du hierhergekommen bist. Wenn du es schaffst, werde ich hier sein und dich sicher in dein Leben zurückführen.«
Debes Worte gaben Nakeshi neue Zuversicht. Sie betrat den Höhlenraum und bereute es sofort. Schmerz und Verzweiflung schlugen ihr wie eine Flutwelle entgegen. Doch es war kein frisches Wasser, das sich an ihr brach, sondern eine ansteckende Krankheit, gegen die man sich nicht wappnen konnte. Sie spürte, wie die Llangwasi versuchten, in ihr Inneres zu kriechen, um sie ebenfalls zu vergiften. Nakeshi versuchte sich an gute Dinge zu erinnern. Sie rief die Bilder von Bô und ihrem Sohn Debe in ihre Erinnerung und dem Glück, das sie miteinander genießen durften. Doch die Llangwasi zerrten und zupften an ihr, während sie weiter die Ecken und Winkel der Höhle abzusuchen begann. Dann endlich entdeckte sie in einer verborgenen Nische das blasse Abbild ihrer Sternenschwester. Sie kauerte ängstlich auf dem Boden, während die bösen Geister sie in Schacht hielten. Nakeshi handelte rasch.
Jella fuhr mit einem Ruck in die Höhe. Es war dunkle Nacht. Wie durch ein Wunder nahm sie ihre Umgebung mit einer Klarheit zur Kenntnis, die sie selbst erstaunte. Sie roch die würzige Nachtluft und die frischen Blumenblüten, die Jamina jeden Tag frisch in Wasserschalen füllte. Auf der Fensterbank brannten Öllämpchen. Es sieht aus, als wäre Diwali, dachte Jella erstaunt. Wie kann das sein? Waren sie nicht erst gerade bei ihrem Freund Salim Mohan gewesen? Doch natürlich, sie konnte sich genau erinnern. Es war ein lustiger Abend gewesen. Danach hatten Fritz und sie sich geliebt. Es war wunderschön gewesen. Liebevoll hörte sie auf die gleichmäßigen Atemzüge ihres Mannes neben sich. Aus der Stadt drang buntes Stimmengemurmel und Musik durch ihr Fenster. Jella stand auf und trat ans Fenster. Überall brannten Lichter, und die Menschen feierten, obwohl Mitternacht schon längst vorüber war. War tatsächlich Diwali? Verwirrt fuhr sie sich mit den Händen übers Gesicht. Wieso feierten die Menschen? Bis zum Lichterfest waren es doch noch Wochen!
Fritz regte sich. Verschlafen richtete er sich auf. Als er sie am Fenster stehen sah, sprang er aus dem Bett und kam auf sie zu. Behutsam fasste er sie an den Schultern, um sie zurück ins Bett zu führen.
»Was machst du da?«, fragte Jella konsterniert. »Ich bin doch kein kleines Kind!«
Erschrocken ließ er sie los. Auf seinem Gesicht war pure
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