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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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uns suchen sie zuallererst.«
    »Dann bringen wir sie eben weg.« Die raue Stimme lachte unangenehm auf. »Ich habe da einen Verwandten bei den Bhils im Schlangendorf. Dort ist sie ganz sicher.«
    »Wie dumm und grausam von dir, Rama«, tadelte Chitra empört. »Wenn sie von einer Kobra gebissen wird, bekommen wir kein Lösegeld mehr.« Ricky schauderte. Wovon sprachen die Hijras?
    »Außerdem …«, Chitra machte eine kleine Pause. »Außerdem möchte ich nicht, dass das Mädchen leidet. Sie ist so zart und unschuldig. Wir behalten sie ein oder zwei Tage bei uns und bringen sie dann zurück. Ihre Eltern werden so dankbar sein, dass sie uns gern eine Belohnung bezahlen.«
    »Ohoo!« Rama mit der rauen Stimme lachte zweideutig. »Du willst doch nicht etwa sagen, dass du dich verliebt hast? Willst du etwa vor ihrer Freilassung noch deinen Spaß mit ihr …«

    »Hör auf mit dem Unfug«, unterbrach Chitra ihn ungehalten. »Sorg lieber dafür, dass sich unser ›Gast‹ wohlfühlt. Wir werden schon noch eine Lösung finden. Geh hoch und sieh nach, ob sie schon aufgewacht ist. Ich habe nicht besonders viel von dem Schlafmittel in den Tee gegeben. Eigentlich müsste sie schon längst aufgewacht sein.«
    Ricky hörte, wie Rama die Treppen hochstieg und huschte schnell zurück in ihr Zimmer. Sie sah aus dem Fenster und überlegte, ob sie hinunterspringen konnte. Doch es war zu hoch. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und Rama trat ein. Die Hijra war sehr groß und hatte breite Schultern wie ein Mann. Sie trug wie Chitra einen gelbgrünen Sari und eine gelbe Bluse. Ihre grell geschminkten Lippen lächelten hämisch.
    »Sieh an, unser lieber Gast hat sich schon angekleidet.«
    Ricky versuchte erst gar nicht, sich zu verstellen.
    »Ich möchte nach Hause«, forderte sie mit fester Stimme. »Meine Eltern machen sich Sorgen.«
    »Aber sicher, meine Liebe«, beruhigte sie Rama. Ihre Stimme triefte vor Spott. »Das gehört sich doch so.«
    »Was wollt ihr von mir?« Rickys Stimme wurde unsicherer. »Meine Eltern sind nicht reich. Ihr könnt sie nicht erpressen.«
    »Aber, aber.« Rama tat entsetzt. »Wer spricht denn da von Erpressung. Wir Hijras begehen keine Verbrechen. Sieh es doch einmal so: Wir haben dir gestern das Leben und deine Ehre gerettet. Ohne uns wärst du verloren gewesen. Ist es da nicht gerecht, dass uns deine Eltern dafür eine kleine Belohnung geben? Wir haben dich mit offenen Armen bei uns aufgenommen. Niemand hat dir etwas getan, obwohl …« – sie deutete auf die Wände und lachte rau – »… wir durchaus in der Lage wären, dir Dinge zu zeigen, von denen du nur träumen kannst.«
    Ricky merkte, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht stieg. Gleichzeitig wurde sie auch wütend.
    »Das ist unanständig und gemein!«

    Rama nahm es ungerührt zur Kenntnis. »Unten in der Küche gibt es frisches Roti, Chai und Curry. Wir sind nicht deine Dienerinnen. Wenn du Hunger hast, kannst du dich selbst bedienen.«
    »Ich habe keinen Hunger, ich will nach Hause!« Rickys Augen füllten sich mit Tränen. Sie hatte das Gefühl, gleich ihre Fassung zu verlieren.
    »Rama, ich habe dich doch gebeten, freundlich zu unserem Gast zu sein!«, tadelte eine ärgerliche Stimme hinter der großen Hijra. Rama flatterte gelangweilt mit den Augenlidern und deutete Chitra gegenüber eine ironische Verbeugung an. »Du weißt doch, wie schnell bei mir die Gäule durchgehen«, entschuldigte er sich. »Dann lass ich euch beiden Turteltäubchen mal allein.« Er oder sie blinzelte Ricky zweideutig zu und verschwand aus dem Raum.
    Chitra stellte ein Tablett mit Tee und frischem, herrlich duftendem Roti auf den Hocker und nahm neben Ricky auf dem Bett Platz. Angewidert rückte die ein Stück weg von der Hijra.
    In Chitras Lachen lag ein Hauch von Bitterkeit. »Ich fasse dich nicht an, wenn du mich nicht ausdrücklich darum bittest. So schlimm wie unser Ruf sind wir nun auch wieder nicht.«
    Sie deutete auf das Tablett. »Du hast bestimmt Hunger.«
    Ricky rührte sich nicht. Sie starrte trotzig auf einen Punkt vor ihren Füßen. Chitra ignorierte es und fuhr fort: »Zugegeben. Rama und noch ein paar andere von uns haben ein allzu loses Mundwerk. Das bringt unser Stand eben so mit sich. Wir sind Ausgestoßene und müssen sehen, wie wir überleben.«
    »Ihr haltet mich gefangen«, meinte Ricky finster. »Und ihr wollt Lösegeld erpressen. Das habe ich vorhin selbst gehört.«
    »Hör mal gut zu, Schätzchen«, meinte Chitra. Ihre Stimme wurde

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