Sehnsucht nach Owitambe
dunkelhäutige Frau hat. Und er hasst ihn doppelt, weil er mit ihr einen Sohn gezeugt hat.«
Jella legte ihre Hand auf Sarahs. »Er ist ein sturer Dummkopf. Mein Vater hätte keine bessere Frau finden können!«
Sarah erwiderte den Händedruck und lächelte warm.
»Vielleicht möchte Fritz nach Hakoma reiten«, schlug sie beinahe schüchtern vor. »Seine Zunge wird vielleicht die richtigen Worte finden.«
Fritz sah Sarah nachdenklich an. »Der Gedanke ist mir tatsächlich auch schon gekommen«, meinte er. »Wenn Johannes nichts dagegen hat, will ich es gern versuchen. Wir sollten alles unternehmen, um diese Angelegenheit schnell und ohne Gewalt zu regeln.«
»Und ich werde dich begleiten«, meinte Jella unternehmungslustig. »Ich wollte Nachtmahrs Frau Isabella schon längst einmal kennenlernen. Man munkelt, dass sie ziemlich kränklich ist. Vielleicht kann ich ihr ja helfen.«
Fritz’ Bedenken bezüglich ihrer Schwangerschaft wischte sie wie üblich einfach beiseite. Und so war es bald beschlossene Sache, dass sie am nächsten Morgen nach Hakoma aufbrechen würden.
Nach dem Frühstück spannte Fritz die leichte Kutsche an, half Jella in den Wagen und sprang leichtfüßig auf den Kutschbock. In zügigem Trab fuhren sie in Richtung Hakoma. Jella genoss die gemeinsame Fahrt mit Fritz. Seit ihrer Rückkehr von der Hochzeitsreise hatten sie nur die Nächte miteinander verbringen können. Die Tage waren für sie beide voller Arbeit gewesen. Eifrig hatten sie sich in ihre gemeinsame Zukunft gestürzt und als Erstes den Umzug der Wildtiere nach Owitambe organisiert.
Fritz und sie standen schon vor dem Morgengrauen auf. Fritz machte nun Pläne für ihr künftiges Haus. Es sollte ein solides Steinhaus mit mindestens vier Schlafräumen werden. »Wir wollen Gäste haben und außerdem …«, sein Blick war auf Jellas Bauch geschweift, »… und außerdem brauchen unsere Kinder auch viel Platz.« Hauptsächlich kümmerte sich Fritz jedoch um die Tiere auf der Farm. Er half Samuel und Johannes beim Aussortieren der Zuchttiere und untersuchte sie auf ihren Gesundheitszustand. Außerdem wollte er damit beginnen, Pferde zu züchten. Jella kümmerte sich derweil um andere Dinge. Gemeinsam mit Nancy hatte sie einen alten Werkzeugraum in einem der Schuppen leer geräumt und darin eine provisorische Krankenstation errichtet. Ausgerechnet Raffael war ihr erster Patient gewesen. Der temperamentvolle Vierjährige hatte sich mit Samuels achtjährigem Sohn Mateus angelegt und war auf der Flucht vor ihm unglücklich gestürzt und hatte sich den Kopf an einem Stein gestoßen. Blutüberströmt hatte ihn Sarah zu Jella gebracht, die die Wunde sogleich säuberte und mit drei Stichen nähte. Obwohl Raffaels Gesicht seine Schmerzen durchaus widerspiegelte, hielt er tapfer aus, ohne zu weinen. Doch kaum war der erste Schock überwunden, stampfte er wütend mit seinem Fuß auf dem Boden auf und meinte grimmig: »Das nächste Mal blutet Mateus!«
Sarah sah ihren Sohn streng an. »Niemand blutet nächstes Mal! Wieso legst du dich mit älteren Jungs an?«
»Sie ärgern mich, weil ich anders bin«, knurrte Raffael.
Jella strich ihrem kleinen Bruder begütigend über den Kopf. »Hey«, meinte sie. »Ich war auch immer anders als die anderen. Das muss nicht immer schlecht sein. Sieh doch selbst, was aus mir geworden ist!«
Raffael betrachtete Jella kritisch und versuchte die Worte seiner großen Schwester einzuordnen. Da er offenkundig zu keinem Ergebnis kam, drehte er sich wortlos um und marschierte
zur Tür. Erst als er schon fast draußen war, wandte er sich nochmals um.
»Ich will aber nicht anders sein«, schimpfte er und stapfte mit energischen Schritten davon.
Jella machte es Spaß, wieder in ihrem alten Beruf arbeiten zu können. Es gab ihr das Gefühl, gebraucht zu werden. Natürlich gab es auf der Farm noch genügend andere Arbeit für sie zu tun, aber Kochen und Wäschewaschen sah sie eher als notwendiges Übel denn als Erfüllung an. Fritz und Johannes unterstützten sie mit ihrer kleinen Krankenstation, so gut es ging. Der nächste Arzt war weit entfernt, sodass eine tatkräftige Krankenschwester so viel wert war wie ein ausgebildeter Arzt. Unter Fritz’ Anleitung hatte Jella sogar schon eine Blinddarmoperation durchführen müssen. Samuel hatte Jella eines Tages aufgeregt zu sich gerufen. Seine Frau Teresa klagte über schreckliche Bauchschmerzen und wand sich auf der Matte in ihrer Hütte. Jella erkannte nach wenigen
Weitere Kostenlose Bücher