Sehnsucht nach Owitambe
damit sagen?«
Sonthofen beugte sich über den Schreibtisch und blickte dem Distriktchef nun drohend in die Augen.
»Rücken Sie mir gefälligst von der Pelle!«, japste der aufgebracht. Die eben gewonnene Sicherheit verflog wie eine Rauchwolke.
»Erst, wenn Sie mir in dieser Angelegenheit Ihre Hilfe zusagen.«
»Sie, Sie drohen mir?«
Kleine Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn des Distriktchefs. Mühsam erinnerte er sich wieder seiner Autorität.
»Wenn Sie weiterhin so unverschämt sind, lasse ich sie von meinen Soldaten entfernen«, schnaufte er und holte tief Luft. Dass ihm das nicht schon viel früher eingefallen war!
Genervt ließ sich Sonthofen auf den Stuhl am anderen Ende des Schreibtischs fallen. Er nahm seinen Hut vom Kopf und strich sich über sein wirres, rotgraues Haar.
»Sehen Sie«, versuchte er es jetzt mit ruhiger Stimme. »Der Zaun, den Nachtmahr errichten ließ, hindert meine Tiere daran, an das Wasserloch zu kommen. Zwei sind schon verendet. Im Moment habe ich die Tiere zwar an anderen Orten auf meinem Land untergebracht, aber das geht nicht lange gut. Die Regenzeit war dieses Jahr nicht so ausgiebig wie sonst. Es fehlt überall an Wasser. Aus nachbarschaftlicher Güte habe ich Nachtmahr die eingeschränkte Nutzung der Quelle zugestanden. Aber er hat diese Duldung ausgenutzt und lässt meine Quelle jetzt auch noch von seinen Leuten abriegeln. Das ist kriminell!«
»Und was ist, wenn im Kaufvertrag Nachtmahrs etwas anderes steht?«, bohrte der Distriktchef nach.
»Das ist nicht möglich«, erklärte Sonthofen ruhig. »Die Grenzen meiner Farm sind im Katasteramt in Windhuk genau vermerkt. Davon können Sie sich selbst überzeugen. Nachtmahr ist im Unrecht.«
»Gut«, meinte der Distriktchef und fühlte, wie er langsam wieder an Boden gewann. »Dann werden wir das in Windhuk überprüfen lassen.«
Sonthofen sah den Distriktchef fassungslos an.
»Das ist jetzt nicht Ihr Ernst!«, meinte er. »Bis dahin sind meine Rinder elendiglich zu Grunde gegangen. Sie müssen wenigstens die alten Zustände wiederherstellen, bis die Sache offiziell geklärt ist.«
Der Distriktchef gab sich keine Mühe, sein Lächeln zu verbergen. Wie sehr er doch die Paragrafen liebte. Sie gaben ihm Sicherheit und das Gefühl von Ordnung.
»Tut mir leid, da habe ich genaue Order«, gab er Sonthofen unmissverständlich zu verstehen. »Ich werde Ihren Fall weiterleiten und in Windhuk klären lassen. Aber bis das geschehen ist, sind mir die Hände gebunden, und ich kann in keiner Weise eingreifen.«
»Und wie lange dauert das?«, fragte Sonthofen misstrauisch.
Der Distriktchef deutete auf den Stapel mit unerledigten Akten. »Eines nach dem anderen«, meinte er überheblich. »Außerdem haben wir hier noch ganz andere Sorgen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich keinen meiner Leute hier entbehren. Sie wissen doch selber, dass überall marodierende Hererobanden die Gegend unsicher machen. Wir befinden uns hier im Herzen ihres Einflussgebiets und müssen mit dem Schlimmsten rechnen. Es wäre verantwortungslos, auch nur einen Mann wegen solch einer, sagen wir mal, läppischen Angelegenheit abzukommandieren.«
Sonthofen sprang aufgebracht von seinem Stuhl und riss seinen Kaufvertrag wieder an sich.
»Sie lassen mir keine andere Wahl«, zischte er. »Bis Sie etwas unternommen haben, sind meine Rinder tot. Das kann ich nicht zulassen! Ich werde Ihren jämmerlichen Distrikt umgehen und mich direkt an den Gouverneur wenden. Herr Leutwein ist immerhin ein Mann der Tat und nicht ein jämmerlicher Lakai seiner Paragrafen!«
Damit machte er auf dem Absatz kehrt und ließ einen sprachlosen Distriktchef zurück.
Hakoma
»Hast du schon gehört?«, fragte Jella aufgebracht. Sie hielt eine etwas ältere Zeitung in der Hand, die Johannes von seinem Besuch in Windhuk mitgebracht hatte. »Im Deutschen Reich wird mobil gemacht. Seit einiger Zeit hat der Große Generalstab in Berlin die Leitung über den Feldzug gegen die Namas übernommen. Der Oberbefehlshaber ist ein gewisser Generalleutnant Lothar von Trotha, ein ganz harter Hund!«
Fritz, der im Salon in einem Ohrensessel saß, zog Jella auf seinen Schoß und streichelte sanft über ihren sich vorwölbenden Bauch.
»Du solltest dich nicht so aufregen«, lächelte er. »Das tut unserem Kind bestimmt nicht gut.«
»Ich rege mich nicht auf«, beschwichtigte ihn Jella. »Nur ein ganz kleines bisschen. Ich verstehe nur nicht, warum der Kaiser nicht auf Vermittlung setzt.
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