Sehnsucht nach Owitambe
»Sie sind ein elender Giftmischer! Dafür werden Sie verhaftet und verurteilt werden!«
Der Polizeichef wies Nachtmahr an, den Mund zu halten. »Das ist meine Sache«, brummte er. »Nicht die Ihre!« Dann wandte er sich etwas freundlicher an Johannes. »Ich möchte Sie bitten, mit mir nach Outjo auf die Polizeiwache zu reiten.«
»Heißt das, ich bin verhaftet?« Johannes Augen weiteten sich ungläubig. Dann verzog er sein Gesicht zu einem schiefen Lächeln. »Sie werden mir doch sicherlich vorher noch den Grund für Ihr ungewöhnliches Vorgehen verraten?«
Bevor der Polizeioffizier etwas dazu sagen konnte, mischte sich Rüdiger von Nachtmahr erneut in das Gespräch. Er war sichtlich erregt und äußerst aufgebracht. »Sie haben meine Quelle vergiftet und dadurch den Tod mehrerer Dutzend meiner Rinder herbeigeführt. Wenn einer meiner Leute von dem Wasser getrunken hätte, wäre er gestorben. Das ist versuchter Mord!«
Als ob es ein Beweis wäre, deutete er mit ausgestrecktem Arm auf den gepackten Ochsenwagen. »Und jetzt will er sich aus dem Staub machen!«
Der Polizeioffizier musterte kritisch den Wagen. »Sie wollten verreisen?«
Johannes nickte; die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Diese Situation kam ihm mehr als bizarr vor. Jella, die in nur geringer Entfernung die Szene mitbekommen hatte, kam nun mit großen Schritten auf den Trupp zu.
»Meine Herren«, begrüßte sie die Soldaten und Nachtmahrs mit einem Kopfnicken. »Wollen Sie nicht die Freundlichkeit haben, abzusitzen und uns die Sachlage in Ruhe zu erklären?«
Der Polizeioffizier war durch Jellas forsches Auftreten sichtlich überrascht. Er war es nicht gewohnt, dass Frauen sich so selbstbewusst verhielten. Interessiert musterte er die große junge Frau, die seinem Blick erstaunlich offen standhielt. Sie war nicht nur energisch, sondern auch noch schwanger. Er räusperte sich etwas verlegen und drehte dabei an seinem dicken Schnurrbart. Schließlich willigte er ein und gab seinen Leuten den Befehl abzusitzen. Nur Nachtmahr und sein Sohn blieben unwillig auf ihren Pferden sitzen.
»Was soll das? Sie sollten endlich Ihre Pflicht tun und diesen Giftmischer abführen«, schnaubte Nachtmahr. Doch der Offizier ignorierte seine Bemerkung und folgte Jella mit seinen Männern auf die überdachte Veranda. Der Polizist war kein Unmensch, und wenn er schon einen Verdächtigen abzuführen hatte, dann fühlte er sich wenigstens verpflichtet, die Angehörigen über die Gründe aufzuklären. Jella bot den Soldaten Platz an und bat Nancy, ihnen eine Erfrischung zu reichen. Erst dann setzte sie sich ihrem Vater gegenüber ans andere Tischende.
»Ich bin sicher, es handelt sich um ein Missverständnis«, sagte sie verbindlich und lächelte dem Polizeioffizier charmant zu. Der kleine Mann drehte verlegen seinen Hut in den Händen und räusperte sich erneut. Es fiel ihm schwer, dem Charme der jungen Frau zu widerstehen. Sie war nicht wirklich schön, viel zu groß für eine Frau. Aber ihr gleichmäßiges Gesicht mit dem großen Mund und den hellgrünen Augen verriet sprühende Lebenskraft und einen unbändigen Willen.
»Nun, die Anschuldigungen sind schwer«, begann er. »Und die Beweislage scheint eindeutig. Jemand von der Farm – der Baron vermutet Ihren Vater als Täter – muss die Nagelquelle vergiftet haben. Es gibt ja keine anderen Nachbarn.«
»Aber das ist lächerlich«, polterte Johannes aufgebracht los. »Weshalb sollte ich meine eigene Quelle vergiften? Glauben Sie, ich bin verrückt?«
»Die Quelle gehört mir und nicht Ihnen, Sie Narr!«, rief Nachtmahr von seinem Pferd aus dazwischen. »Der Distriktchef ist genau meiner Meinung!«
Johannes bemühte sich um Fassung. »Das lasse ich mir nicht bieten«, zischte er wütend. »Baron von Nachtmahr hat keinerlei Rechte an der Quelle. Der Distriktchef kann dazu sagen, was er will. Er hat in dieser Sache überhaupt nichts zu melden. Die Gerichte in Windhuk verhandeln gerade in diesem Fall.«
Der Polizeioffizier runzelte überrascht die Stirn. »Dieser Sachverhalt war mir allerdings nicht bekannt«, meinte er. Er wandte sich leicht verärgert an Baron von Nachtmahr. »Sie haben mir versichert, die Quelle sei ihr Eigentum.«
»Ist sie auch!« Nachtmahr schnaubte verächtlich. »Da kann dieser Kaffernfreund behaupten, was er will.«
»Das werden wir ja sehen«, antwortete Johannes frostig. Nancy kam mit einem Tablett Gläser, einem Krug frischen Wassers und einer Flasche Branntwein an.
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