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Sehnsucht nach Owitambe

Sehnsucht nach Owitambe

Titel: Sehnsucht nach Owitambe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Mennen
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wenn schon! Es ist meine Pflicht, den Menschen zu helfen.«
    »Dann lass mich wenigstens mit dir gehen!«
    Jella winkte ab.
    »Du wirst hier auf der Farm gebraucht. Wir waren schon viel zu lange fort. Josua kann mich begleiten. Ich habe ihn schon ein wenig eingelernt. Wenn er so weitermacht, wird er einmal ein passabler Sanitäter in meiner Krankenstation.«
    »Was ist, wenn die Herero noch in der Nähe sind?«, sorgte sich Fritz.
    »Sie werden mir nichts tun«, behauptete Jella fest. »Jedermann weiß, dass wir auf Owitambe unsere Leute gut behandeln. Außerdem habe ich noch nicht gehört, dass die Herero Frauen angreifen.«
    Damit machte sie auf dem Absatz kehrt und verschwand in dem Schuppen, in dem sie ihre Krankenstation untergebracht hatte. Fritz seufzte resigniert. Von dieser Frau würde er noch so manche Überraschung zu erwarten haben!

Aufstand
    Mit klopfendem Herzen näherte sich Sarah der Onganda ihrer Mutter. Johannes und Raffael warteten bei dem Ochsenwagen und den Rindern in einiger Entfernung. Die Himbafrau wusste nicht, wie und ob man sie überhaupt empfangen würde. In ihrer Eanda galt sie als verhext; ihre Angehörigen hielten sie für tot. Bevor sie sich auf den Weg zu der Onganda gemacht hatte, hatte sie ihre westliche Kleidung abgelegt und ihren Körper sorgfältig mit einer Mischung aus Butterfett, fein geriebenem Ocker und aromatischen Kräutern eingerieben. Dann hatte sie sich den Ledergurt um die Hüfte gebunden, an dem sie vorn und hinten zwei knielange Lederschurze befestigte. Zwischen ihren nackten, roten Brüsten hing die Ombongoro, eine breite Kette, die von einer riesigen Muschel geziert wurde. Ihre Haare waren am Hinterkopf zu mehreren Zöpfen geflochten; darauf saß eine Haube aus Lammfell, die Erembe.
    Sie wies sie als verheiratete Frau aus. Raffael hatte den Wandel seiner Mutter mit großem Staunen zur Kenntnis genommen. Er hatte Sarah angesehen, als käme sie von einem anderen Stern.
    »Du … du … du bist wunderschön«, platzte er plötzlich heraus. »Ich will mich auch so verkleiden.«
    Sarah lächelte Raffael liebevoll zu.
    »Alles zu seiner Zeit«, meinte sie. »Vielleicht wirst du schon bald Gelegenheit dazu haben.«
    Dann ging sie auf Johannes zu, der ebenso sprachlos war wie sein kleiner Sohn, und gab ihm einen Kuss.

    »Alles wird gut«, meinte sie leichthin. »In einer Stunde bin ich zurück.«
     
    Die Onganda war von einem kreisförmigen Holzzaun aus Ästen umgeben, der mit Dornen gespickt war. Nur an einer Stelle war eine Öffnung, die man nachts mit Dornengestrüpp verschließen konnte. Innerhalb der Umzäunung standen mehrere Hütten, die Ondjuwos, und die etwas größere Hütte des Ältesten, die Otjizero, mit dem Blick auf den Eingang des Kälbergeheges. Zwischen der Otjizero und dem Kälberkraal glimmte das heilige Feuer. Kein Fremder, der den Ahnen der Onganda nicht vorgestellt worden war, durfte diese Stelle betreten.
    Sarah blieb außerhalb des Zaunes stehen und rief:
    »Moro, moro«, was so viel bedeutete wie: »Guten Tag. Ist jemand hier?«
    Der Kraal lag ziemlich verlassen da, nur eine alte Frau und ein paar Kinder waren dort. Die Kinder rannten sofort neugierig herbei, während sich die alte Frau Zeit ließ. Die Kinder waren zu jung, um Sarah zu kennen.
    »Woher kommst du?«, fragten sie neugierig. Sarah zeigte in die Himmelsrichtung, aus der sie gekommen war.
    »Bist du allein?«
    »Wo ist deine Familie?«
    »Wie viele Rinder hat deine Onganda?«
    »Empfängt man so Gäste?«, schimpfte die alte Frau und scheuchte die Kinder auseinander. Ihre Augen waren verschleiert und blickten an Sarah vorbei ins Leere. Die Frau war blind. Sarah erkannte sie sofort.
    »Mutter Komiho?«
    Ihr Herz schlug noch heftiger, dieses Mal vor Freude.
    Die alte Frau stieß einen Schrei aus und wich erschrocken zurück.
    »Vengape? Das kann nicht sein! Vengape ist verhext. Sie ist
zu den Ahnen gegangen. Verschon mich! Ich will noch nicht mit euch gehen!«
    »Ich bin nicht tot«, versuchte Sarah zu beschwichtigen. »Ich bin wieder zurück.«
    Sie streckte ihre Hand nach Komiho aus und berührte sie zärtlich an der Schulter. Komiho war die ältere Schwester ihrer leiblichen Mutter und hatte ihr immer besonders nahegestanden.
    »Wäre ich ein Geist, könnte ich dich nicht berühren!«
    Komiho dachte eine Sekunde nach und nickte dann erleichtert. Plötzlich rannen Tränen über ihre Wangen.
    »Wir haben alle sehr lange geweint«, erklärte sie immer noch erschüttert. »Deine

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