Sehnsucht nach Owitambe
innerhalb der deutschen Truppen Abstimmungsschwierigkeiten und Versorgungsprobleme, sodass es den Soldaten zwar gelang, die Herero
um die Wasserstellen von Hamakari zusammenzutreiben, jedoch nicht, sie zum entscheidenden Gefecht zu stellen. Die Kapitäne der Herero konnten ihre Krieger versammeln und griffen die Deutschen im Osten an. Mit rund dreitausend Bewaffneten gelang es ihnen schließlich, die Frontlinie zu durchbrechen und mitsamt den Frauen, den Kindern und dem Vieh zu entkommen. Die Deutschen machten sich sofort an die Verfolgung der Aufständischen, mussten allerdings wegen Nachschubproblemen und einer Typhusepidemie bald aufgeben. Während ein kleinerer Teil der Herero nach Norden ins Ovamboland floh, zog ein Großteil weiter in Richtung des wasserarmen Sandfelds der Omaheke. Ihre Hoffnung war, in Britisch-Betschuanaland Zuflucht zu finden.
Für General von Trotha war die Schlacht am Waterberg zwar militärisch gewonnen. Doch er hatte sein Ziel, die Herero zu vernichten, noch nicht erreicht. Aus diesem Grund ließ er die Flüchtigen durch zangenförmige Ausfälle vor sich hertreiben, immer weiter hinein in die wasserarme Omahekewüste. Unter günstigen Umständen wäre die Durchquerung des Sandfelds für die Herero vielleicht möglich gewesen. Doch ausgerechnet in diesem Jahr waren die Wasserlöcher schon so gut wie ausgetrocknet. Infolge des Aufstands hatten es die Herero verpasst, ihre Brunnen ausreichend zu pflegen, sodass sie rascher austrockneten als gewöhnlich. Die Verfolger blieben ihnen dicht auf den Fersen und sorgten dafür, dass sie kein Wasser fanden. Oftmals erreichte der Flüchtlingsstrom eine Wasserstelle mit letzter Kraft, nur um festzustellen, dass sie entweder ausgetrocknet oder von den Soldaten vergiftet worden war. Die Kämpfe, der anstrengende Marsch und der Mangel an Verpflegung forderten ihren grausamen Tribut. Je weiter sie in die Omaheke vordrangen, desto zahlreicher wurden die Opfer. Frauen, Kinder und Alte waren die ersten Toten. Sie wurden nicht einmal begraben. Man war gezwungen, sie einfach liegen
zu lassen. Der Weg durch die Omaheke war gepflastert von Leichen und aufgeblähten Tierkadavern.
Von Trotha kannte kein Erbarmen. Obwohl viele seiner Offiziere murrten und Kritik übten, verlangte der General die unbarmherzige Verfolgung der Aufständischen. Ihre Rückkehr nach Deutsch-Südwestafrika sollte mit allen Mitteln verhindert werden. Auf diese Weise verloren ungefähr vierzehntausend Menschen ihr Leben.
Staubig, aber guter Dinge waren Fritz, Imelda und Rajiv auf dem Heimweg nach Owitambe. Es war eine lange besprochene Sache, dass Fritz’ Mutter rechtzeitig vor der Geburt ihres Enkelkindes bei Jella sein sollte. Bis zur Entbindung waren es zwar noch ein paar Wochen, aber Imelda hatte darauf bestanden, ihrer Schwiegertochter auch beim Einrichten des Kinderzimmers behilflich zu sein. Zu ihrer aller Erleichterung war auch Okakarara weitgehend von den Unruhen verschont geblieben. Der kleine Ort war im Augenblick mehr oder weniger verwaist. Die meisten weißen Siedler wagten sich noch nicht aus den Befestigungsanlagen nach Hause, und die ehemals dort wohnenden Herero waren auf der Flucht. Im Store gab es momentan nicht viel zu tun, sodass Alfred Knorr den Laden ohne Weiteres eine Zeit lang allein führen konnte. Zu Fritz’ Überraschung hatte sich Rajiv Singh seiner Mutter angeschlossen. Fritz war es nicht entgangen, dass sich die beiden äußerst gut verstanden. Aber auch er freute sich auf die anregende Gesellschaft des Inders.
Kurz vor Owitambe stießen sie auf einen schwitzenden Traugott Kiesewetter. Der Missionar aus der Rheinischen Missionsstation war allein mit einem vollgeladenen Pritschenwagen unterwegs. Das war ziemlich ungewöhnlich, denn der dickleibige Geistliche war eher ein gemütlicher Typ. Umso mehr erstaunte
es Fritz, dass er sich in diesen unruhigen Zeiten offenkundig auf eine längere Reise eingestellt hatte.
»Gott zum Gruße«, begrüßte ihn der Missionar sichtlich erfreut. »Ich hoffe doch sehr, dass ich Ihnen auf Owitambe willkommen bin.«
»Auch ich grüße Sie!«, erwiderte Fritz munter. »Darf ich wissen, was uns die Ehre Ihres Besuchs verschafft? Für die Taufe ist es noch ein wenig zu früh.«
Kiesewetter lachte höflich, aber dann deutete er ernst auf seine Ladung. »Ich suche nach Verbündeten, denn ich brauche Hilfe für eine große Unternehmung«, meinte in seiner breiten rheinischen Art. »Ich trage die feste Absicht, in der Omaheke
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