Sehnsucht nach Owitambe
auf
etwas Ungewöhnliches aufmerksam machte. Der junge Ovambo zeigte in den Himmel, wo ein gewaltiger Schwarm Geier seine Runden drehte.
»Jesus Maria«, bekreuzigte er sich. »Da ist Tod.«
Er sah sich ängstlich um. »Vielleicht Löwen bei Jagd!«
Jella erschrak und umklammerte instinktiv Josuas Arm, als sie eine Gruppe Hyänen entdeckte, die sich ebenfalls an den Ort begaben, über dem die Geier kreisten. Sie schauderte bei ihrem Anblick. Aus gutem Grund verabscheute sie Hyänen aus tiefstem Herzen, seitdem sie selbst beinahe einmal zu ihrem Opfer geworden war. Das Pferd an der Kutsche schnaubte und tänzelte unruhig. Es schien ebenfalls zu spüren, dass hier etwas nicht in Ordnung war.
»Mir sind zu viele Aasfresser hier«, meinte Jella beunruhigt. »Das gefällt mir gar nicht. Lass uns so schnell wie möglich verschwinden!«
Sie schnalzte mit der Zunge und trieb das Pferd zu einem schnelleren Trab an. Der Weg wurde bald schmaler und zog sich schließlich entlang einer jäh abfallenden Felskante nach oben, sodass sie notgedrungen das Tempo wieder verringern mussten. Die Geier kreisten nun direkt über ihnen. Als sie schließlich den höchsten Punkt des kleinen Vorgebirges erreicht hatten, scheute plötzlich das Pferd und brach zur Seite aus. Durch den Sprung hätte es die Kutsche beinahe aus dem Gleichgewicht gebracht. Jella zog sofort an den Zügeln und versuchte das Tier von der Felskante weg zu dirigieren. Sie fürchtete, dass es in seiner Panik über den Abgrund schießen könnte. Nur mit Mühe gelang es ihr, das Pferd wieder einigermaßen unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Zügel fest in der Hand, sprach sie beruhigend auf es ein, aber trotz ihrer Beschwichtigungsversuche blieb das Pferd nervös und aufgeregt. Immerhin gelang es ihr, das Tier zum Stehen zu bringen. Es zitterte am ganzen Leib. Jella holte erleichtert Luft. Das war gerade noch
einmal gut gegangen! Erst jetzt nahm sie den metallischen Geruch von Blut war, der das Pferd so in Aufregung versetzt hatte. Ganz in ihrer Nähe musste etwas Schreckliches geschehen sein. Vielleicht waren dort Menschen, die ihre Hilfe brauchten. Sie gab Josua die Zügel in die Hand und stieg mit wackligen Beinen aus der Kutsche aus. Je näher sie dem Abgrund kam, umso stärker wurde der metallische Geruch. Es roch nach warmem, eben vergossenem Blut.
Den Anblick der toten Elefanten würde Jella ihr ganzes Leben nicht mehr vergessen. Grausam hingeschlachtet lagen die Kadaver der prächtigen Tiere in dem kleinen Talkessel unter ihr. Man hatte sie einfach dort hineingetrieben und dann feige abgeknallt. Kühe, Bullen und Kälber, die ganze Herde, die Fritz und sie noch vor wenigen Tagen so stolz beobachtet hatten, lagen tot und verstümmelt vor ihr. Ein einziger grauer Fleischberg. Kein einziges Tier besaß mehr Stoßzähne, was sie im Tod auf bizarre Weise entstellte. Die Elfenbeinjäger waren nicht zimperlich bei ihrer Arbeit vorgegangen und hatten die Tiere regelrecht zerfleischt. Ihre Köpfe waren zerhackt und nur noch blutige Fleischmassen. Auf ihren grauen Leibern saßen Geier und stießen ihre nackten Köpfe in die Löcher, die die Hyänen in die Eingeweide gerissen hatten. Jella umfasste schutzsuchend ihre Schultern und begann vor Entsetzen zu zittern. Dann übergab sie sich. Nicht einmal die Kälber, die ja noch keine nennenswerten Stoßzähne besaßen, hatten sie verschont!
Jella brauchte nicht lange, um sich alles zusammenzureimen. Nachtmahr und seine Männer waren genau aus dieser Richtung gekommen. Die braunen Flecken auf ihrer Kleidung, der Schmutz. Alles fügte sich aus den Einzelheiten zusammen. Sie waren nicht in Okakarara gewesen. Sie hatten meuchlings diese wundervollen Tiere getötet!
Waterberg
Bis zum Winter 1904 spitzte sich die Situation am Waterberg dramatisch zu. Die Herero wollten endgültig das Joch der Schutzherrschaft abstreifen. Von überallher strömten die Menschen an den Waterberg. Um die fünfunddreißigtausend Männer, Frauen und Kinder, dazu viele tausend Rinder, Schafe und Ziegen versammelten sich an den Wasserstellen um Hamakari. Samuel Maharero, ihr Kapitän, setzte alles auf eine Karte. Er hofte, dass die große kriegerische Menschenansammlung die Deutschen beeindrucken und zu Verhandlungen zwingen würde.
Tatsächlich hatten viele Farmer samt ihren Familien ihr Zuhause verlassen und Schutz in den befestigten Garnisonen von Okahandja und Grootfontein gesucht. Mit einer groß angelegten Vergeltungsaktion rechnete der
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