Sehnsucht nach Owitambe
die Erde strahlen ließ. Aus Furcht vor weiteren Plünderungen hatte Jella alle Zuchtbullen in die Stallungen und die Kühe auf die Weiden bringen lassen, die der Farm am nächsten lagen. Ihr war klar, dass das nicht lange gut gehen konnte, da die Weiden bald abgegrast sein würden und die Männer zusätzlich zu ihrer Arbeit Wasser von weither in Tankwagen heranschaffen mussten, um die Tiere zu tränken. Aber sie wusste sich einfach keinen anderen Rat, wie sie mit den wenigen Leuten, die noch auf der Farm geblieben waren, die Farm retten sollte. Trotz Imeldas Warnungen packte sie, wann immer es ging, selbst mit an. Gerade kam sie in ihrem Einspänner vom Kontrollieren der Weidezäune zurück und wollte noch schnell nach Fritz’ Sorgenkindern, den Tieren, sehen, die ihr Gehege hinter dem Wohnhaus hatten. Pascha, der halbwüchsige Leopard, war in einem Extraverschlag mit vergittertem Auslauf untergebracht, während der alte General, der mürrische Pavian, das blinde Zebra Leopold und Duikduik, die dreibeinige Antilope, ein schönes, baumbestandenes Gehege bewohnten, aus dem sie hin und wieder mithilfe des schlauen Generals ausbrachen. Das Zebra besaß eine Vorliebe für Gemüse und hatte ihnen schon so manche Ernte im nahen Gemüsegarten vernichtet, während Duikduik am liebsten ins Haus hoppelte, um jemanden zu finden, der sie streichelte. Der General
begab sich dann meist unter die große Schirmakazie, die die Farm wie ein großes Schutzdach überragte, und zeigte jedem die Zähne, der sich ihm ungebührlich näherte. Nur Pascha blieb in seinem Verschlag und kommentierte den Fluchtversuch der anderen Tiere mit neidvollem Miauen. Jella wollte sichergehen, dass die Tiere in ihrem Gehege waren. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich durch die große Schwüle ein für die Zeit ungewöhnlich heftiges Gewitter zusammenbraute. Die natürlichen Geräusche der Savanne wirkten wie eingedämmt. Kaum ein Vogel war zu hören, und wenn doch, dann war es ein aufgeregtes, heiseres Kreischen, das wie eine Warnung durch den Busch tönte. Wie immer hatte Jella eine Kleinigkeit für die Tiere bei sich. Für gewöhnlich kamen die drei unverzüglich zum Gatter, um die Leckereien in Empfang zu nehmen. Doch heute ließ sich keines von ihnen blicken, obwohl sie mehrfach nach ihnen rief. Selbst Pascha lag zusammengekauert in einer dunklen Ecke seines Verschlags und regte sich nicht. Jella öffnete die Gittertür und warf ihm einen Knochen mit reichlich Fleisch daran hin. Der Leopard sah kurz auf, um seinen Kopf sofort wieder zwischen seine Pfoten zu legen. Das Futter interessierte ihn nicht.
»Was ist denn los mit dir?«, wunderte sich Jella. »Du bist doch sonst so ein Nimmersatt.«
In der Ferne war erstes Donnergrollen zu hören. Jella sah, wie Pascha zusammenzuckte.
»Fürchtest du dich – oder vermisst du Fritz genauso wie ich?«, fragte sie leise. Am liebsten wäre sie zu Pascha gegangen und hätte ihn in den Arm genommen, wie sie es vor Kurzem noch getan hatte. Sein weiches Fell würde sie sicher trösten. Leider war der Leopard mittlerweile zu groß und zu unberechenbar für solche Zärtlichkeiten. Nur Fritz konnte ohne Gefahr zu ihm in den Verschlag. Jella verschloss die Tür und betrat das Gehege der anderen Tiere. Zu ihrem Erstaunen befanden sich alle
drei Tiere in seltener Eintracht in dem Unterstand, den Fritz ihnen selbst gebaut hatte. Der General zog es normalerweise vor, allein zu sein. Er duldete nur schwer die Nähe der anderen Tiere. Aber heute wirkte er eingeschüchtert, wenn nicht sogar verängstigt. Jella redete beschwichtigend auf die Tiere ein und bot ihnen die Leckerbissen an. Keines der Tiere rührte sie an. Jella fuhr sich mit der Hand über ihre schweißbedeckte Stirn. Ich sollte wohl zurück zur Farm gehen, überlegte sie erschöpft. Das Kontrollieren der Zäune hatte sie mehr angestrengt, als sie zugeben wollte. Sie begab sich auf den Rückweg. Das Laufen fiel ihr schwer, und plötzlich verkrampfte sich ihr Bauch und sie spürte ein Ziehen in ihrer Leistengegend, das ihr für kurze Zeit die Luft raubte. Sie klappte mit dem Oberkörper nach vorn und versuchte gleichmäßig zu atmen. Imelda hatte sie vorgewarnt und ihr die Atemtechnik für solche Wehen gezeigt. Tatsächlich verschwand das Ziehen nach kurzer Zeit, und sie konnte sich auf den Rückweg machen.
»Was bist du nur für ein ungeduldiges Kind«, schimpfte sie liebevoll und streichelte über ihren dicken Bauch. Von hinten betrachtet sah man ihr
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