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Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition)

Titel: Sehnsucht nach Wombat Hill: Australien-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fiona Capp
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Neuigkeiten zu warten. Sämtliche Berichte über ihre Aktivitäten wird man leugnen oder einem umherziehenden Banditen oder ortsbekannten Schurken in die Schuhe schieben, bis sie auf die eine oder andere Weise verschwunden sein wird.
    Und so geschieht es. Die Geschichten über ihre Heldentaten oder von Begegnungen mit ihr werden immer seltener, bis sie verschwindet wie die Frau bei einem Zauberkunststück. Wenn sie den Menschen nicht mehr den Gefallen tut, verbrecherische Taten zu begehen, wird sich die allgemeine Stimmung gegen sie wenden, und es werden neue Gerüchte in Umlauf kommen – Geschichten, die die Lücke füllen werden, die sie hinterlassen hat. Dann wird es heißen, sie habe sie alle mit ihren Zaubertricks hereingelegt, die Verantwortung für Verbrechen übernommen, die sie gar nicht begangen hat, und sei nichts weiter als eine schamlose Gaunerin, eine Kleinkriminelle, die sich einbildete, eine zweite Black Mary oder Calamity Jane zu sein. Wie betrogene Liebhaber werden ihre Verteidiger sie dafür verachten, dass sie sich von ihr haben verblenden lassen, und sie als eine verbotene Affäre abtun, die sie am liebsten vergessen würden. Selbst jene, die ihr zum Opfer gefallen sind, werden leugnen, jemals ihren Weg gekreuzt zu haben. In den Groschenheften wird sie zur gefallenen Frau werden, einer nach Gin stinkenden, von Blattern entstellten Dirne, die, wie es heißt, ihr Ende schließlich in einem Tollhaus gefunden habe und in einem anonymen Grab beerdigt wurde.

49
    Es hat fast null Grad, und die Temperatur sinkt weiter. Gotardo hockt vor einem Thermometer, das er an einer Stange neben seinen neu gepflanzten Weinreben angebracht hat. Im hin und her schwankenden Schein der Laterne, die von seiner Hand baumelt, starrt er auf das in seiner gläsernen Hülle schimmernde Quecksilber. Eine Kältewelle hat das Land fest im Griff. Noch ein paar Stunden, und kurz nach Mitternacht wird die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinken. Wenn er die Stecklinge retten will, die seit kaum einem Monat im Boden sind und gerade erst auszutreiben begonnen haben, muss er wachsam und gut vorbereitet sein, denn sein Feind kommt im Schutz der Dunkelheit und wird die zartesten mit seinem eisigen Atem dahinwelken lassen.
    Seit Juli hat er den Boden liebevoll aufbereitet, die Gräben Reihe um Reihe an den tiefer liegenden Hängen gezogen, wo einst sein Vieh weidete. Fast alle alten Weiden sind nun gefurcht und umgegraben, mit Mulch aus Kompost und Asche und mit Stangen versehen, um die jungen Schösslinge daran hochzuziehen und festzubinden. Es hat gutgetan, seinen Geist auf diese Weise zu beschäftigen. Als Flickschuster hätte er nicht weitermachen können. Bis seine Kühe starben, hatte er immer im Freien gearbeitet und seine Rolle im Zyklus der Natur gespielt und dabei voller Verwunderung verfolgt, wie das Gras auf geheimnisvolle Weise das Blau aus dem Himmel und das Gelb aus der Sonne sog, um daraus das lebhafteste Grün hervorzubringen. Und sich gewundert, wie dieses Grasgrün im Bauch einer Kuh sich in das seidige Weiß ihrer Milch verwandelte.
    Bevor er wieder ins Haus zurückkehrt, überprüft Gotardo die kleinen, mit lockerer Erde versetzten Strohhäufchen, die er in Abständen von sechs bis acht Metern zurechtgelegt hat. Wenn der Feind ruft, wird er vorbereitet sein.
    Mit einem Glas Grappa setzt er sich in seinen Lieblingssessel und vertieft sich in seine Lektüre. Gedichte liest er nicht mehr. Er hat in letzter Zeit all seine Energie darauf verwandt zu lernen, wie man Weintrauben kultiviert und Wein herstellt. Darin steckt eine eigene Poesie. Nach der Ernte der ersten Früchte war Gotardo viel zu sehr in seiner Trauer versunken, als dass er sich um seine Trauben hätte Gedanken machen können, weshalb er es Pliny, Aquilino und Battista überließ, den Wein zu keltern. Pliny hatte die Reben bereits gepflanzt, bevor Gotardo in der Kolonie eintraf, aber dieser hatte in seinem Keller zwar ein paar Fässer von Pliny verwahrt, sich ansonsten aber kaum Gedanken darüber gemacht, was passierte, wenn die Trauben im Sonnenschein heranreiften, oder was mit den chemisch verwandelten Entsprechungen geschah, die sich unter seinen Füßen abspielten.
    Ein paar Tage, nachdem der Most in die Bottiche umgefüllt worden war und die Gärung in Gang kam, war Gotardo in den Keller hinuntergestiegen, um eine gepökelte Haxe zu holen. Dabei fiel ihm als Erstes der Lärm auf, der aus den Bottichen drang, als würde es darin brodeln. Und er

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