Sehnsucht und Erfüllung
Gehege hatte auch dieses eine Art Nebengehege, vermutlich eine Sicherheitsvorkehrung – um die Raubkatzen einsperren zu können, während im Hauptgehege gearbeitet wurde.
Auf einmal merkte Kelly, dass der Puma nur ein Auge hatte.
“He, Bono”, begrüßte Shane das Tier und bekam ein freundliches “Jaooow” zur Antwort.
Kelly lächelte. Und als Shane den Laut fast perfekt nachahmte, war ihr klar, dass die beiden so etwas wie ein Zwiegespräch führten.
Shane erklärte ihr, dass Pumas auch als Kuguare, Berg- oder Silberlöwen bezeichnet wurden, dass sie die unterschiedlichsten Laute von sich gaben, jedoch nicht brüllten.
“Was ist mit Bonos Auge passiert?”
“Er hat es durch eine dem grünen Star ähnliche Erkrankung verloren. Das Ergebnis mangelhafter Ernährung. Er wurde mit der Flasche aufgezogen, aber die Ersatzmilch hatte nicht die richtige Zusammensetzung.”
“Er ist trotzdem ein Prachtkerl.” Kelly wollte Bono unbedingt zeichnen. Wie würde es wohl sein, sich ganz lange in seinen Anblick zu vertiefen? “Schnurren Pumas auch?”
“Ja, und wenn Sie noch näher an Bono herangehen, dann wird er ganz wild werden.”
Sie wich ein Stückchen zurück. “Er mag Frauen?”
“Wassermelonen, Kelly”, raunte Shane ihr ins Ohr. “Bono mag Wassermelonen. Er ist geradezu verrückt nach ihnen.”
“Oje.” Kelly erschauerte. Sie hatte sich am Morgen reichlich mit einem Eau de Toilette dieser Duftrichtung besprüht, und daraus zu schließen, wie Shane tief den Atem einsog, schien auch er Wassermelonen zu mögen.
Als er beiseite trat, kam sie zu dem Schluss, dass Shane und Bono sich sehr ähnelten – sie hatten beide etwas Ursprüngliches, waren attraktiv und exotisch.
Kelly kaute auf ihrer Unterlippe. Jetzt fragte sie sich doch tatsächlich, ob auch Shane schnurren konnte. Sie betrachtete ihn von der Seite. Der Wind spielte mit seinem Haar, und die Sonne ließ es leicht rötlich schimmern. Ja, vielleicht konnte er das Schnurren eines Pumas nachahmen. Doch da ihr Herz inzwischen heftig klopfte, war es besser, es nicht genau zu wissen.
3. KAPITEL
Aus dem Blockhaus wurde langsam ein Zuhause. Zumindest ein zeitweiliges. Der Reinigungstrupp hatte sein Bestes gegeben, und nun konnte Kelly den rustikalen Charme der Blockhütte richtig genießen.
Ein Teil von ihr wäre am liebsten nie mehr nach Ohio zurückgekehrt. Seit ihrer Ankunft in Texas waren inzwischen vier Tage vergangen, und sie war der Lösung ihrer Probleme noch kein Stück näher.
Sie saß am Esstisch, um das Tageslicht auszunutzen, das durch ein kleines Fenster fiel. Das sonnige Frühlingswetter war in trübes Wetter umgeschlagen, doch das hielt sie nicht davon ab, Bono zu zeichnen, den einäugigen Puma. Seit sie in der Hütte wohnte, hatte sie jeden Morgen Skizzen von ihm angefertigt.
Sie konnte sich ihre Begeisterung für Bono nicht erklären. In der Blockhütte fühlte sie sich der gelbbraunen Großkatze besonders nah, und das ergab überhaupt keinen Sinn.
Aus dem Gedächtnis zu zeichnen, fiel Kelly nicht leicht, denn sie hatte keine Übung darin. Doch bei Bono erinnerte sie sich an jedes Detail.
Es klopfte. Kelly sprang auf. Das konnte nur Shane sein, der jeden Tag vorbeikam. Sie klappte ihr Skizzenbuch zu und legte eine alte Zeitschrift darauf, die sie in einer Truhe aus Zedernholz gefunden hatte, ehe sie an die Tür ging.
“Hallo, Kelly.” Ein breitkrempiger Strohhut beschattete sein Gesicht. Aber sie konnte trotzdem die Goldsprenkel in seinen Augen funkeln sehen.
Aus einem Impuls heraus schaute sie ihm tief in die Augen. Da verspürte sie einen Tritt ihres Babys. Eine Ermahnung, dass schwangere Frauen nicht flirten sollten.
Sie senkte den Blick. “Komm doch herein.” Sie duzten sich mittlerweile.
Er nahm seinen Hut ab, ohne sich dabei mit der Hand durchs Haar zu fahren. Shane schien sein Aussehen überhaupt nicht zu kümmern. Jason dagegen war stets perfekt gestylt, sodass sie sich immer wünschte, selbst attraktiver zu sein.
Shane stellte einen Reisekäfig auf dem Fußboden ab. “Zuni wollte dich besuchen.”
“Ja?” Kelly sah zu, wie die kleine Wildkatze aus dem Korb kletterte. “Hebst du sie bitte für mich hoch? Ich fürchte, ich schaffe das nicht.”
“Gern.” Er nahm Zuni hoch, ehe sie weglaufen konnte. “Du hast momentan wohl ein paar Schwierigkeiten, deine Zehen zu erreichen, hm?”
“Soll das ein Witz sein?” Sie zeigte auf den Sessel vor dem Kamin. “Ich kann kaum noch aus diesem Sessel
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