Sehnsucht und Erfüllung
herum.
“Ich nehme an, du bist recht unsanft daraus erwacht.”
“Genau.” Shane grinste. “Aber ich war zu dickköpfig, um das zuzugeben. Ich behielt Bono über zwei Jahre im Blockhaus. Ein paar Mal hat er sogar bei mir im Bett geschlafen.”
Kelly brach in Gelächter aus. “Du bist verrückt, Shane.”
“Nein, meine Liebe”, neckte er sie mit gespielt strenger Miene. “In mir ist der Geist der Berglöwen.”
Sie wurde augenblicklich ernst. “Das stimmt wirklich. Und in diesem Haus auch.” Sie sah sich um. “Deshalb fühle ich mich Bono hier so nah. In gewisser Weise lebt er immer noch hier.”
Shane nickte nur. Er wünschte, Bono könnte ihm sagen, wie Kelly Baxters Seelenschmerz zu kurieren war. Ihm blieben ganze zehn Tage, um ihr Leben zu ändern. Er schloss die Augen. Das erschien ihm schlicht unmöglich. Geist des Berglöwen hin oder her.
Am nächsten Tag regnete es in Strömen. Kelly parkte vor dem Tankstellen-Shop und rannte hinein, um sich von Barry Hunt den Weg in die Stadt erklären zu lassen.
Umständlich, wie Barry war, ließ er sich nach einigem Zureden herab, ihr den Weg zu beschreiben, und Kelly machte sich Notizen. Sie tat ihr Bestes, ihm Straßennamen zu entlocken und genauere Beschreibungen als ‘rechts bei den Newtons abbiegen und weiter bis zur Farm der Harris’ fahren’. Dann kaufte sie noch eine Packung Donuts und eilte zurück zu ihrem Wagen.
Ihre Scheibenwischer liefen auf Hochtouren. Dem Wetterbericht zufolge würde der Regen nicht anhalten, obwohl eine weitere Regenfront nahte. Im Frühjahr ist das Wetter eben unbeständig, dachte Kelly.
Sie bog in eine kleine Straße ab und merkte schnell, dass sie sich verfahren hatte. Die Straße endete an einem umgestürzten Baum, der wohl schon seit Jahren dort lag.
Barrys Wegbeschreibung verwünschend, setzte sie zurück. Sie hatte weder das blaue Haus der Newtons gesehen noch die Ranch der Familie Harris. Um ehrlich zu sein, überhaupt kein Haus.
Kelly probierte eine andere Straße, landete jedoch wieder auf einem Weg, der nirgendwohin zu führen schien. Kein Highway nach Duarte weit und breit. Ein Stück Land wirkte so unbewohnt wie das andere, und die Hügel ringsum waren auch keine Orientierungshilfe.
Kelly biss in einen Donut. Heul nicht, befahl sie sich, obwohl ihre Augen zu brennen begannen. Sie fuhr und fuhr, wahrscheinlich im Kreis, verstreute Puderzucker und blinzelte ihre Tränen weg.
Unvermittelt tauchte ein Haus auf einem Hügel vor ihr auf. Sie wischte sich die Augen und erkannte das Haus von Shane und Dr. McKinley. Die Topfpflanzen auf der Veranda waren ihr noch nie so einladend erschienen.
Sie klopfte. Alles, was sie brauchte, war eine genaue Wegbeschreibung. Und ein paar Lebensmittel aus dem Supermarkt, wo immer der sein mochte.
Dr. McKinley bat sie ins Haus und erzählte ihr auf dem Weg in die Küche, dass er eben von einem Rundgang durch das Wildgehege zurückgekommen sei.
“Ich will Sie nicht lange stören, sondern mich nur schnell nach dem Weg in die Stadt erkundigen.”
Er stellte den Wasserkessel auf. “Wie wär’s erst mal mit einer Tasse Kakao? Sie sehen ein wenig verweint aus, meine Liebe. Ist alles in Ordnung?”
“Ich habe mich verfahren”, gestand sie. Dabei fiel ihr auf, dass sie wirklich Grund zum Weinen hatte. Am Vorabend hatte sie mit ihrer Mutter telefoniert und erfahren, dass Jason immer noch nicht von seiner Reise zurück war. Und natürlich hatte ihre Mutter auch wieder von der Vaterschaftsklage angefangen. “Ich bin über eine Stunde durch die Gegend geirrt.”
“Dann ist heiße Schokolade genau das Richtige.” Tom ging an den Schrank. “Auch ein paar Marshmallows?”
Kelly lächelte und zog ihre Jacke aus. Dr. McKinley hatte eine so unkomplizierte Art. Man konnte sich kaum vorstellen, dass er bereit war, den einen Sohn großzuziehen und den anderen nicht. Aber vermutlich war damals das Wichtigste für ihn, seine Ehe zu retten. Sie überlegte, ob Jason eines Tages heiraten würde. Und weitere Kinder bekommen würde – Söhne und Töchter, die ihm willkommen wären.
Dann saßen sie am Tisch und tranken Kakao, während der Regen gegen das Küchenfenster prasselte.
“Shanes Katzen mögen mich nicht besonders”, sagte Tom. “Sie sehen mich kommen und flüchten in ihre Nebengehege.”
“Wieso?”
“Weil sie wissen, dass ich derjenige bin, der ein Betäubungsgewehr hat. Als Tierarzt ist man nicht unbedingt beliebt, zumindest nicht bei den Patienten.”
Bei der
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