Sehnsucht und Erfüllung
wollte.”
“Hat sie genauso für dich empfunden, Shane?”
“Ich dachte es, aber sobald wir verheiratet waren, verflog der Reiz des Neuen wohl langsam. Sie ging aufs College, wurde dann Assistentin in einer schicken Anwaltskanzlei, und ich hatte nur den Highschool-Abschluss und arbeitete als Handwerker auf dem Bau. Eine Enttäuschung.”
Kelly wollte tröstend seinen Kopf an ihre Brust ziehen, ihm sagen, er solle das alles vergessen. Aber sie merkte, dass es noch mehr zu berichten gab.
“Drei Jahre nach unserer Heirat wurde Tami schwanger. Ich fand, das war das Beste, was uns hatte passieren können, und war mir so sicher, dass wir mit dem Baby eine richtige Familie würden.”
Als Shane ihre Hand ergriff, war Kelly klar, dass irgendetwas während der Schwangerschaft seiner Frau schiefgegangen war. “Jetzt kommt der schwierige Teil, nicht wahr?”
“Ja.” Er holte tief Atem. “Wir lebten ganz normal weiter, bereiteten uns auf das Baby vor. Doch gegen Ende der Schwangerschaft brach Tami zusammen und gestand, dass das Baby womöglich nicht von mir sei. Sie hatte eine Affäre mit einem Anwalt gehabt, irgend so einem weißen Yuppie, der nicht in unserer Stadt lebte, und sie wusste nicht, wer von uns der Vater war.”
Kelly hielt seine Hand ganz fest. Wie hatte Tami mit einem anderen zusammen sein können, wenn sie einen Ehemann wie Shane hatte? Wie hatte sie einen attraktiven jungen Mann zerstören können?
“Ich kann nicht beschreiben, was ich empfand”, fuhr Shane fort. “Wenn ich mir nicht Tami mit ihrem Geliebten im Bett vorstellte, dann kämpfte ich gegen die Vorstellung, dass das Baby vielleicht von ihm war.” Er umklammerte ihre Hand fester. “Es war nicht gerecht. Ich war an allem beteiligt gewesen – der morgendlichen Übelkeit, den Arztbesuchen, der Ultraschalluntersuchung.” Er sah auf Kellys Bauch. “Ich habe gefühlt, wie sich das Baby zum ersten Mal bewegt hat. Und ich hatte all diese Spielsachen gekauft und eine Wiege gebaut. Ich war der Vater, nicht er.”
Es tat Kelly in der Seele weh, als sie sich Shane allein und verzweifelt im neu eingerichteten Kinderzimmer vorstellte. “Du hast Tami verziehen, oder?”
“Ich musste es. Ihre Affäre war vorbei, und wir wurden Eltern. Aber es war alles andere als leicht. Die nächsten Monate gingen wir zur Therapie und versuchten, unsere Ehe zu retten. Ich bat Tami, das Baby als mein Kind anzusehen. Sie musste mir versprechen, niemals einen Vaterschaftstest von mir zu verlangen, um das Gegenteil zu beweisen, und niemals Kontakt zu ihrem Exgeliebten aufzunehmen.”
Kelly schwieg, damit Shane sich fassen konnte.
“Wir hatten einen Jungen”, sagte er schließlich. “Evan Tyler. Das perfekte
ona.”
“Ona?”
“Das bedeutet Baby in der Sprache der Komantschen. Himmel, wie ich ihn liebte! Er hatte Tamis Augen, dunkel, leicht mandelförmig, und er hatte mein Haar … dachte ich damals.”
Er ließ Kellys Hand los. “Als Evan sechs Monate alt war, meldete sich Tamis Exgeliebter. Er eröffnete gerade eine Kanzlei in unserer Heimatstadt und wollte sie wiedersehen.”
“Sie ging zu ihm, nicht wahr?”
“Ja.”
“Und Evan?”
“Er erwies sich als sein Kind.”
“Du hast also doch einen Vaterschaftstest machen lassen?”
“Ja.”
Aber bestimmt nicht ohne Widerstand, dachte sie.
“Tami hat sich von mir scheiden lassen und ihn geheiratet”, fuhr Shane fort. “Ich habe alles verloren. Sogar das Besuchsrecht. Ich habe Evan seit über fünf Jahren nicht gesehen. Sie sagten mir, für mich gebe es keinen Platz in seinem Leben.”
Kelly schloss die Augen. Gegen einen gewieften Anwalt um ein Kind zu kämpfen, das nicht sein leibliches Kind war, musste ein Albtraum gewesen sein, denn damit stand Shane von vornherein auf verlorenem Posten. “Es tut mir schrecklich leid.”
“Mir auch.”
Sie spürte, dass er sie beobachtete. Als sie ihm in die Augen blickte, entdeckte sie einen Hauch von Goldsprenkeln darin. Unfähig sich zu bremsen, berührte sie sein Gesicht – sein markantes Kinn, seine hohen Wangenknochen, seine Wimpern, die seine schönen, exotischen Augen umrahmten. Als sie die Finger durch sein Haar gleiten ließ, rückte er noch näher.
Und dann berührten seine Lippen ganz zart ihren Mund. Sie wollte ihn schmecken, ihm Trost spenden und selbst getröstet werden. Sie teilte die Lippen, und ihre Zungenspitzen berührten sich, und da verloren Kelly und Shane sich in einem innigen Kuss.
Schließlich hob Shane den Kopf.
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