Sehnsucht und Erfüllung
Koffein brauchte er jetzt wirklich nicht, sein Herz schlug schon schnell genug.
Er verspürte also gewisse Regungen. Na und? Es waren ja keine wilden sexuellen Fantasien mit einer schwangeren Frau, eher zärtliche Gefühle. Er wollte sie streicheln, mit ihr kuscheln, sie küssen.
Während Kelly die Flasche warm machte, las Shane sich im Stillen selbst die Leviten. Kelly war von einem anderen Mann schwanger. Hatte er die Lektion, die Tami ihm erteilt hatte, schon vergessen? Hatte er damals nicht genug gelitten?
War es etwa Kellys Schwangerschaft, was ihn so anzog? Die Erinnerung an ein Kind, das er immer noch vermisste? Oder fühlte er wirklich zu Kelly hingezogen? Egal. Er würde den Seelenfrieden, den er endlich gefunden hatte, nicht aufs Spiel setzen. Falls Kellys Problem mit dem Vater ihres Babys zu tun hatte, dann würde er den Grund herausfinden. Und falls das Problem nicht zu lösen war, dann würde er Kelly ermutigen, ihren Weg weiterzugehen, sich auf ihr Baby zu konzentrieren, vielleicht sogar einen neuen Job zu suchen. Kurz, ganz von vorn anzufangen – wie er damals.
“Möchten Sie später einen Rundgang durchs Gehege machen?”
“Sie brauchen mich nicht zu unterhalten, Shane. Ich habe Ihre Zeit schon genug in Anspruch genommen.”
“Ich möchte es Ihnen gern zeigen.” Und er wollte ergründen, warum sie von zu Hause geflüchtet war. “Es ist wirklich sehenswert. Wir haben viel Zeit und Geld investiert, um natürliche Lebensräume nachzubauen, und haben sogar einen Picknickplatz für die Besucher.”
“Würde ich die Tour denn mit anderen Leuten machen?”
“Nein, nur mit mir. Wir haben nur jeden ersten Samstag im Monat geführte Touren. Uns fehlt einfach das Personal, um häufiger welche anzubieten. Außerdem brauchen die Großkatzen ihre Ruhe.” Er suchte ihren Blick. “Ich würde Sie nie in Gefahr bringen, Kelly. Das Gehege ist sicher.” Und keines der Tiere litt unter Toxoplasmose, einer Tierseuche, die einem ungeborenen Kind gefährlich werden konnte. Die Gesundheit der Großkatzen war bei seinem Vater in den besten Händen. “Bitte sagen Sie ja.”
“Okay.” Sie überprüfte die Temperatur der Ersatzmilch. “Ich würde mir die Tiere gern mal ansehen, die Grandpa so faszinierend fand.”
“Schön. Wir können uns etwas zu essen mitnehmen und eine Weile im Schatten sitzen.” Und reden, hoffte er. Sobald er Kelly bei ihren Problemen weitergeholfen hatte, konnte er sein eigenes Leben weiterleben.
Stunden später spazierte Kelly mit Shane durch das Wildgehege
Jungle Hill.
Auf breiten, unbefestigten Wegen gelangte man von einem umzäunten Einzelgehege zum anderen.
“Die meisten unserer Bewohner sind Pumas”, erklärte Shane. “Wir haben aber auch andere Raubkatzen.” Er führte sie zu einem Gehege, in dem ein Tiger von einem Baumhaus auf sie heruntersah. “Wir treffen bei unseren Tieren keine Auswahl. Wir nehmen sie auf, egal, in welchem Zustand ihre Gesundheit ist. Wir bieten keine vorübergehende Bleibe.” Er betrachtete den Tiger oben im Baum. “Wenn sie erst mal hier sind, ist das hier auf Dauer ihr Zuhause.”
“Wurden sie misshandelt?”
“Nicht alle. Einige sind sozusagen verwaist. Überlegen Sie mal, wenn der Besitzer einer Wildkatze stirbt, wer übernimmt dann seinen drei Zentner schweren Liebling? Es ist eine Fehleinschätzung, dass alle Tiere in Wildgehegen wie unserem misshandelt wurden oder ausgesetzt. Es gibt durchaus verantwortungsbewusste Tierhalter. Wir haben unsere Exoten aufgrund der unterschiedlichsten Umstände bekommen. Leider waren einige davon in der Tat beklagenswert.”
“Ich kann mir nicht vorstellen, eine Wildkatze als Haustier zu halten.”
“Haustiere sind sie eben nicht. Es ist nicht, als hätte man einen Hund oder eine Katze.”
Kelly verstand, was er meinte. Leute, die von Exoten erwarteten, dass sie sich wie Haustiere benahmen, misshandelten ihre Tiere letzten Endes oder setzten sie aus, weil sie deren wahre Natur zu spät erkannten.
“Sie hängen sehr an den Tieren.”
Shane lächelte. “Ja, das stimmt. Irgendwie fühle ich mich mit ihnen verbunden.”
Weil er sich in sie hineinversetzen kann, dachte Kelly. “Erzählen Sie mir etwas über den Tiger”, bat sie. Inzwischen mochte sie ihren Gastgeber. Sie hatte nicht viele männliche Freunde, und schon gar keine, deren Haar länger war als ihr eigenes. Irgendwie war er faszinierend.
“Er heißt Sammy.” Obwohl sie nicht unmittelbar vor seinem geräumigen Zuhause standen,
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