Sehnsucht und Erfüllung
erklären, warum er einen gut bezahlten Job und ein schönes Zuhause in Oklahoma gegen eine grob gezimmerte Blockhütte in Texas eingetauscht hatte, war ihm unmöglich. Er hätte Tami erwähnen müssen. Und das Baby.
Kelly sah ihn gespannt an, also erzählte er weiter, ließ jedoch vieles aus. “Schließlich übernahmen Dad und ich das Gehege von den Mendozas. Wir kauften auch ihr Haus und den größten Teil ihres Anwesens. Aber das Blockhaus brauchten wir eigentlich nicht, und das zusätzliche Land konnten wir uns nicht leisten. Also verkauften wir es an Ihren Großvater.”
“Grandpa war von dem Gehege fasziniert. Ihm gefiel die Vorstellung, wilde Tiere als Nachbarn zu haben.”
“Die Mendozas hatten schon befürchtet, keinen Käufer für die Blockhütte zu finden. Denn die meisten Leute sind von Raubkatzen nicht so angetan, wie es Ihr Großvater war.” Shane fragte sich, was wohl Kelly davon hielt, nur wenige Meilen von den wilden Geschöpfen entfernt zu schlafen, mit denen er sein Leben teilte. Den Tieren, die ihn zu seinem Vater geführt hatten, die ihm geholfen hatten, den Schmerz, Frau und Kind zurückzulassen, zu überwinden. “Aber ich bin nicht hier, um von mir zu erzählen. Ich möchte Ihnen helfen.”
Sie lächelte verlegen, und er schnappte sich ein paar Putzutensilien.
Nachdem Shane das Bad gesäubert hatte, kehrte er zu Kelly in die Küche zurück.
Sie saß am Tisch und sah ziemlich blass aus. “Sind Sie in Ordnung?”
“Ich bin nur ein bisschen müde. Es war ein langer Tag.”
Und viel zu anstrengend für eine Schwangere. “Wann soll Ihr Baby denn kommen?”
Sie betupfte ihren Hals mit einem feuchten Tuch. “Im nächsten Monat, so um den Achtundzwanzigsten.”
Am liebsten hätte er ihr erneut Vorwürfe gemacht, doch er hatte Mitleid mit ihr. Durch Tami wusste er, was die letzten drei Monate einer Schwangerschaft einer Frau abverlangten. “Sie dürfen sich nicht überanstrengen, Miss Baxter.” Er setzte sich zu ihr. “Warum wohnen Sie nicht drüben bei uns, bis der Verwalter die Blockhütte hat reinigen lassen? Sie können bis dahin unmöglich in diesem Schmutz hier schlafen.”
“Das ist sehr nett von Ihnen, aber vielleicht sollte ich mich lieber in einem Motel einquartieren.”
“Das nächste Motel liegt in der Stadt, und das ist eine Ecke weit weg. Zudem ist es eine ziemlich miese Absteige.”
Offenbar zu müde, um zu widersprechen, nahm sie sein Angebot an. “Grandpa wäre bestimmt einverstanden gewesen, dass ich bei seinem Freund übernachte. Und ehrlich gesagt, ich finde die vielen Spinnweben hier eklig.”
Spinnweben fand auch Shane eklig, aber das mochte er nicht zugeben. “Ja, Butch und Dad waren gute Freunde.” Dabei fragte er sich, was ihr Grandpa wohl so alles über ihn erzählt hatte. “Ich hoffe, Sie mögen schlichte Kost. Dad ist heute mit Kochen an der Reihe, und es soll, glaube ich, Spiegeleier und Bratkartoffeln zum Abendessen geben.”
“Klingt wunderbar. Danke. Ich weiß nicht, was ich ohne Sie gemacht hätte.”
“Das ist doch selbstverständlich unter Nachbarn.” Obwohl es in der Küche nach Haushaltsreiniger roch, nahm Shane noch einen anderen Duft wahr. Wassermelone. Entweder hatte sie die Hände mit einer parfümierten Seite gewaschen, oder es war ihre Handcreme.
Was würde Kelly tun, wenn er sie berühren würde?
Vermutlich nichts. Die meisten Schwangeren waren an Gesten der Zuneigung von Fremden gewöhnt. Zuneigung? Das fehlte ihm gerade noch, Gefühle für sie zu entwickeln. Sie trug das Kind eines anderen Mannes unter dem Herzen. Genau wie Tami.
Shane verwünschte seine Erinnerungen. Tami hatte ihren Körper damals nicht gemocht, doch er hatte große Ehrfurcht vor dem Kind empfunden, das in ihr heranwuchs. Dem Kind, das ihm vorenthalten wurde.
“Kommen Sie, Miss Baxter, gehen wir.”
Sie stand auf. “Wenn wir Freunde werden wollen, dann nennen Sie mich doch Kelly.”
Er nickte, auch wenn er sich fragte, was zum Teufel er da tat. Die letzte Frau, die behauptete, seine Freundin zu sein, hatte ihm das Herz gebrochen. Und jetzt war durch dieses zerbrechlich wirkende Persönchen die alte Wunde wieder aufgerissen.
Als Kelly Shanes Haus betrat, schrieb sie es ihrer Müdigkeit zu, dass sie zugestimmt hatte, bei zwei Männern zu wohnen, die sie kaum kannte. Kaum? Dr. McKinley hatte sie überhaupt noch nicht kennengelernt.
“Kommen Sie, ich mache Sie mit meinem Dad bekannt”, sagte Shane.
Kelly folgte ihm in eine hell erleuchtete,
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