Sehnsucht unter suedlicher Sonne
sah ihn forschend an. „Natürlich, Bretton. Das ist mein voller Ernst.“
„Und hörte sich fast wie ein Treuegelöbnis an.“
„Möchten wir nicht alle irgendwann heiraten? Ich wünsche mir Kinder, und der Mann, den ich liebe, soll ihr Vater sein.“
„Du erwartest doch nicht, dass ich dir daraufhin einen Heiratsantrag mache?“, fragte er, und seine Augen blitzten.
„Ich finde, wir sollten dieses Gespräch jetzt beenden.“ Genevieve hatte die süße Schwäche, die sie gelähmt hatte, inzwischen überwunden. „Bist du so nett, mir die Tür zu öffnen?“
„Leider muss ich das wohl“, gab er sich geschlagen und ließ ihre Schultern los. „Ich könnte bis zum Morgen hier unten bleiben, aber wir brauchen beide unseren Schlaf.“
„Bevor ich abreise, würde ich gern die Felszeichnungen sehen“, sagte sie im Flur, wo sie sich wieder sicherer fühlte. „Sie sollen sich im Hill Country befinden … wie ihr es nennt.“
„Bevor du abreist ?“ Er schien gar nicht mehr mit dieser Möglichkeit zu rechnen.
„In fünf bis sechs Monaten“, fügte sie schnell hinzu, denn sein Ton hatte sie stutzig gemacht.
„Dann müssen wir uns ja beeilen.“ Er nahm sie offenbar nicht ernst. „Ich werde sie dir zeigen … wann, weiß ich allerdings noch nicht. Erst muss die Musterung abgeschlossen sein.“
„Du willst mich dorthin begleiten?“
„Ich würde dich keinem anderen Menschen anvertrauen. Und noch etwas!“, rief er ihr nach, als sie schon fast an der Treppe war.
„Ja?“
„Willst du wirklich abreisen? Das ist die große Frage.“
8. KAPITEL
Es folgte eine hektische Woche, denn Hester hatte sich wunderbarerweise entschlossen, ihre Ghostwriterin zu unterstützen.
Hester Trevelyan und Genevieve Grenville. Genevieve sah die Titelseite bereits vor sich – Hesters Namen natürlich in Großbuchstaben.
Die alte Dame kam jetzt täglich mehrere Stunden in die Bibliothek, um Genevieve ihre Erinnerungen zu erzählen.
„Es gefällt mir ausnehmend, wie Sie arbeiten“, sagte sie einmal und spielte dabei mit ihrer langen Perlenkette. „Alles ist jetzt ausgezeichnet geordnet.“
„Das glaube ich auch.“ Genevieve schützte keine falsche Bescheidenheit vor, denn sie hatte konzentriert und hoch motiviert gearbeitet.
„ Djangalas Geister sollen lebendig werden.“
Genevieve horchte auf. „Denken Sie dabei an einen speziellen Geist, Miss Trevelyan?“
„Ich denke an eine junge Frau, die von ihrem bösen alten Ehemann mehrmals mit einem Speer durchbohrt wurde.“ Hesters Ton verriet kein Befremden über diese ungewöhnliche Todesart. „Männer sind Bestien. Sie verhalten sich wie Wilde, auch wenn sie zivilisiert sind. Es war die alte Geschichte. Der junge Mann – ihr Liebhaber – starb auch. Der Kurdaicha holte ihn. Es war seine Pflicht, den betrogenen Ehemann an dem Liebhaber zu rächen.“
„Dann handelt es sich um eine Legende der Eingeborenen?“, fragte Genevieve.
„Das ist keine Legende“, erwiderte Hester scharf. „Es handelte sich um echte Todesfälle. Es gibt Gesetze, die nicht gebrochen werden dürfen. Die Liebenden wussten, was sie riskierten, und handelten trotzdem so. Das haben Liebende immer getan“, fügte sie bitter hinzu. „Sie gehen jedes Risiko ein.“
„Wurde der Geist der Ermordeten auf der Ranch gesehen?“, forschte Genevieve weiter.
„Nur dort, wo mein Vater ihre Leiche fand … oder das, was von ihr übrig war. Raubvögel und wilde Tiere hatten sie nicht verschont.“
„Wie schrecklich!“ Genevieve schüttelte sich. „Wo ist das gewesen?“
„Das werde ich Ihnen nicht verraten. Sie besitzen zu viel Fantasie.“
„Ich würde den Fall aber gern in das Buch aufnehmen“, erklärte Genevieve und sah dabei in Hesters kalt blickende Augen. „Und die anderen Geister?“
„Wir Weißen sperren unsere ein“, antwortete Hester zynisch. „Nein, meine Liebe … ich scherze nicht. Hier geht es um ernste Dinge. Die Aborigines glauben an Zauberei und Magie. In jüngerer Zeit war der Kurdaicha wieder für mehrere Todesfälle verantwortlich. Männer und Frauen starben, weil sie streng gehütete Tabus missachtet hatten. Der Kurdaicha tötet nicht immer mit dem Speer. Er singt die Frevler auch in den Untergang. Zweifeln Sie nicht daran. Ich versichere Ihnen, dass es so passiert ist.“
Genevieve nickte. „Man hört auch in der Stadt von solchen ungewöhnlichen Vorkommnissen. Sie machen das Outback für uns Städter noch geheimnisvoller. Könnte es sein, dass der
Weitere Kostenlose Bücher