Sehnsuchtsland
selbstkritisch zugeben musste. Doch irgendein Teufelchen in ihr schien es darauf anzulegen, dass sie ihre Schwester mit genau diesen Informationen beeindrucken musste. Was ebenso überflüssig wie albern war. Die vier Jahre hätten eigentlich reichen müssen, um lässig mit der ganzen Sache umzugehen.
»Wunderbar!«, sagte Gunilla. »Ich gratuliere dir! Wann soll denn die Hochzeit sein?«
»In acht Wochen. Die Einladungen an euch gehen auch in den nächsten Tagen raus.« Linda holte Luft und druckste ein wenig herum, bevor sie hinzufügte: »Was meinst du, wird Papa wohl auch kommen?«
»Bestimmt! Auch, wenn er es nicht zugeben will — ich bin sicher, dass ihm daran liegt, dich wiederzusehen!«
»Bist du sicher?« Linda wich einem Skater aus, der ihren Weg kreuzte. »Letztes Mal, als ich versucht habe, ihn anzurufen, hat er einfach aufgelegt.« Sie erinnerte sich an den Vorfall, der etwa ein Dreivierteljahr zurücklag. Sie hatte ihm ein frohes neues Jahr wünschen wollen. Die Jahre davor hatte sie es auch zwei-, dreimal probiert, immer mit demselben Ergebnis. Er hatte nicht mit ihr sprechen wollen.
»Du willst immerhin heiraten. Das ist etwas anderes! Er muss sich einfach mit dir freuen!« Gunilla hielt inne und deutete auf eine große, dunkle Limousine, die an der nächsten Ecke parkte. »Da steht mein Wagen, ich muss los. Ich habe noch einen wichtigen Kundentermin.« Linda empfand eine vage Enttäuschung. Obwohl sie Gunilla über die Jahre nicht halb so schmerzlich vermisst hatte wie ihren Vater, hätte sie gern noch etwas Zeit mit ihr verbracht. »Können wir nicht noch einen Kaffee trinken?«
Gunilla schüttelte bedauernd den Kopf. »Ein andermal, ja? Nicht böse sein. Ich muss wirklich los.«
»Du rufst mich aber an, wenn du wieder mal in Göteborg bist, oder?«
»Versprochen«, sagte Gunilla. »Aber ich rate dir, vorher nach Hause zu kommen. Du solltest Papa persönlich zu deiner Hochzeit einladen.«
Sie beugte sich vor und küsste Linda hastig auf die Wange. Ein feiner Hauch ihres Parfüms stieg Linda in die Nase. Shalimar von Guerlain . Gunilla trug immer noch denselben Duft. Manche Dinge schienen sich auch in vier Jahren nicht zu ändern.
Die Hände am Lenker ihres Fahrrads, blieb sie am Straßenrand stehen und schaute Gunillas Wagen nach, bis er außer Sicht war.
*
Henrik fand, dass Lennart abgespannt aussah an diesem Morgen, doch er sagte nichts. Lennart war nicht der Mann, der sich von irgendwem sagen ließ, dass er kürzer treten sollte, auch nicht von seinem Schwiegersohn. Er war fast siebzig, aber er dachte überhaupt nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen, denn er war davon überzeugt, dass der Fortbestand der Werft allein mit seiner Leitung stand oder fiel.
Vermutlich lag der Alte damit gar nicht so verkehrt, sinnierte Henrik, während er mit Lennart die Reihe der im Bau befindlichen Boote abschritt. Sie hatten hier dutzende von Schiffen im Trockendock, beinahe jede Woche wurde eine neue Yacht fertig, aber immer noch hatte Lennart fast jeden einzelnen Auftrag selbst an Land gezogen. Er war ein Meister der Akquisition, daran gab es nichts zu rütteln. Mochte Gunilla auch ein Ass in der Abwicklung und Betreuung sein — beim Knüpfen neuer Geschäftskontakte war Lennart nach wie vor unerreicht. Er kannte einfach alle und jeden hierzulande, ging mit dem einen jagen, mit dem anderen golfen und mit dem Dritten teilte er vielleicht sein Hobby, die Geschichte Nordschwedens.
Sein Bedürfnis, jederzeit alles unter Kontrolle zu haben, verleitete ihn allerdings auch dazu, sich ständig in Dinge einzumischen, die auch funktioniert hätten, ohne dass er seinen Senf dazugab. Henrik hatte sich inzwischen damit abgefunden, er hatte die Erfahrung gemacht, dass man mit freundlicher Kompromissbereitschaft bei seinem Schwiegervater am besten fuhr.
»Bist du sicher, dass das Bad nicht zu teuer wird?«, fragte Lennart besorgt, während sie vor einer halb fertigen Zweimastbark stehen blieben, mit der in der nächsten Saison ein Stockholmer Großindustrieller durch die Karibik kreuzen würde.
»Keine Sorge«, sagte Henrik. »Ich habe hervorragende Konditionen mit den Indern ausgehandelt. Der rosa Granit aus Madras ist wirklich etwas Besonderes. Und wie sagst du immer?« Er hob die Brauen und bedachte seinen Schwiegervater mit einem kleinen Grinsen. »Der Kunde ist König.«
Lennart lachte. »Ich hasse es, mir meine eigenen Sprüche anhören zu müssen.« Er hob die Hand, um einen der
Weitere Kostenlose Bücher