Sehnsuchtsland
Zimmer und trat durch die offene Balkontür ins Freie. Während er auf Wahlwiederholung drückte, starrte er in den nächtlichen Garten hinab. Bis auf das Rascheln der Bäume und das unablässig rauschende Wasser des Sunds war es still draußen.
Sie meldete sich.
Er sprach so leise, dass er es selbst kaum hörte. »Ich musste einfach noch mal deine Stimme hören.«
»Wo bist du? Von wo aus rufst du an?« Es klang hysterisch, sie weinte. Erik umklammerte das Handy so fest, dass seine Finger schmerzten. »Wir haben einen Motorschaden. Das Boot ist hier in der Werft.«
Sie schnappte hörbar nach Luft, als sie den Namen des Ortes hörte. »Du bist noch gar nicht weg! Dass euch gleich der Motor kaputtgegangen ist — das ist ein Zeichen, Erik! Ein Zeichen, dass du hier bleiben sollst! Bei mir!«
Ihr Schluchzen ging ihm ans Herz, er fühlte sich ihretwegen so schlecht, dass er am liebsten sofort in das nächstbeste Auto gestiegen und zu ihr gefahren wäre. Er wollte sie in die Arme nehmen, sie trösten, sie nie wieder loslassen. Aber am allermeisten wollte er endlich aufhören, sich wie ein Schwein zu fühlen. Er hätte alles dafür gegeben, dass diese furchtbare Zerrissenheit verschwand.
»Ich komme zu dir«, sagte sie plötzlich mit großer Bestimmtheit.
Erik verkrampfte sich. »Das machst du auf gar keinen Fall!«
»Doch.« Es klang flehend. »Bitte! Bitte lass mich zu dir kommen! Ich halte es nicht aus, zu wissen, dass du noch ganz in der Nähe bist und ich dich nicht sehen darf!«
»Wir haben Schluss gemacht, Elsa!«
» Du hast Schluss gemacht!«
»Ich muss wenigstens versuchen, meine Fehler wieder gutzumachen!«
»Aber es ist falsch!« Sie schrie es beinahe. »Du liebst sie nicht mehr! Bitte, Erik! Komm zu mir!«
Er spürte zu seinem Entsetzen, dass er drauf und dran war, ihr Recht zu geben. Was tat er hier überhaupt? Er riss sich das Herz heraus für eine Frau, die ihn seit Monaten behandelte wie einen Fremden! Manchmal war ihm in ihrer Nähe so kalt, dass er glaubte, erfrieren zu müssen. Wärme fand er nur bei Elsa. Sie war einfach alles. Glück, Zärtlichkeit, Leidenschaft. Sie war sein Leben.
»Gut, wir sehen uns noch ein letztes Mal.« Er sagte es wider besseres Wissen und wusste, wie falsch es war, noch bevor er den Satz beendet hatte. »Vielleicht hilft es uns beiden.«
Er trennte die Verbindung. Alles Weitere würden sie per SMS ausmachen, so wie sie es immer gehandhabt hatten im Laufe des letzten Jahres.
In der offenen Balkontür blieb er stehen und schaute zum Bett. Hanna schlief immer noch ruhig und fest. Erik starrte sie an. Er wollte sie anschreien, sie schütteln, ihr klar machen, wie wenig er diese Reise wollte. Doch er konnte es nicht. Wie denn auch? Schließlich war es seine Idee gewesen, aus Stockholm zu verschwinden. Er hatte gesagt: Komm, Schatz, wir lassen alles hinter uns!
Vielleicht hatte er geglaubt, auf diese Weise vor seiner Schuld weglaufen zu können. Nur dass er dabei vergessen hatte, dass Hannas Augen ihn jeden Tag daran erinnern würden, egal wie weit sie fuhren.
*
Niclas sah den Lichtstreifen unter der Tür und wusste, dass Pelle noch las. Er hätte einfach in sein Zimmer gehen können, schließlich war er hundemüde und konnte seit Stunden nur daran denken, endlich zu schlafen. Siv hatte noch ziemlich lange in der Küche herumgewuselt und ihn damit aufgehalten. Einerseits war er ihr wirklich dankbar für ihre Hilfe, andererseits hatte er kaum noch aus den Augen schauen können vor Erschöpfung. Irgendwann hatte sie bemerkt, dass er pausenlos gähnte, und war praktisch im selben Moment aufgebrochen.
Niclas klopfte kurz, bevor er Pelles Zimmer betrat. Im selben Moment bereute er, dass er nicht doch gleich zu Bett gegangen war, denn Pelle bedachte ihn mit einem Blick, der an Giftigkeit nicht zu überbieten war. Niclas tat so, als betrachte er die Poster an den Wänden, während Pelle die Fußballzeitschrift weglegte, in der er gelesen hatte und sich kurzerhand schlafend stellte.
Niclas ging seufzend zu ihm und setzte sich auf die Bettkante, direkt neben den großen Koalabär, der seit Pelles Kindergartenzeit das Kopfkissen bewachte.
»Pelle.« Er strich seinem Sohn vorsichtig über das Haar und war dabei wie immer von vagem Erstaunen erfüllt, weil es sich so weich anfühlte, obwohl es doch so unglaublich störrisch aussah. »Pelle, es wird bestimmt alles gut.«
Pelle gab keine Antwort. Er hatte sich zusammengerollt, die Arme vor der Brust verschränkt und die
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