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Sehnsuchtsland

Sehnsuchtsland

Titel: Sehnsuchtsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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Schwäche in ihren Kniekehlen.
    » Hej «, sagte sie mit zittriger Stimme, während sie über die Straße auf ihn zuging.
    »Dann will ich mich mal verabschieden, Herr Doktor Söderlind.« Falls die Frau — offensichtlich war es eine Mäklerin — irritiert war, so ließ sie es sich nicht anmerken. »Sie hören in den nächsten Tagen von mir.«
    »Wiedersehen, Frau Hellberg.«
    Er hatte nur noch Augen für Hanna. »Sagen Sie, wollten Sie mich besuchen, oder ist es etwa wieder ein Zufall?«
    »Nicht ganz. Ich suche einen Arzt, der mir noch ein paar Rezepte ausstellt. Ich fürchte, ich habe einige Medikamente zu wenig in unserer Bordapotheke. Aber wie ich sehe, haben Sie Ihre Praxis aufgegeben.« Sie deutete auf das Schild neben dem Eingang. Es war mit Leukoplast abgeklebt, aber der Name war noch darunter zu erkennen. Doktor Niclas Söderlind.
    Er hob die Schultern, es sollte vermutlich lässig wirken, aber Hanna spürte seine Anspannung.
    »Ich habe jetzt eine Stelle in Stockholm, im Gesundheitsministerium.«
    Ohne besondere Absprache hatten sie sich in Bewegung gesetzt und schlenderten gemeinsam die Straße entlang.
    »Kann man das denn?«, wollte Hanna wissen. »Ich meine, fehlen Ihnen denn die Patienten nicht? Der persönliche Umgang mit den Menschen?«
    Ein Hauch von Verschlossenheit glitt über sein Gesicht. Mit einer abrupten Bewegung schob er die Hände in die Hosentaschen. »Der Job im Ministerium war eine einmalige Chance. So etwas lehnt man nicht ab.«
    Eine Gesprächspause entstand, und Hanna hatte den deutlichen Eindruck, dass sie einen wunden Punkt berührt hatte. Er war verletzt worden, etwas Schlimmes war ihm zugestoßen. Sie wusste es plötzlich so deutlich, als hätte er es ihr erzählt.
    Es war ein leiser Schock für sie, mit einem Mal diese besondere Wahrnehmung bei einem anderen Mann zu erleben. Er war nicht Erik, war nicht ihr Ehemann. Aber sie konnte fühlen, was er empfand.
    Hanna nahm sein Angebot, sie zum Hotel zurückzufahren, bereitwillig an. Im Wagen wurde sie sich mehr und mehr der wachsenden Spannung zwischen ihnen bewusst. Hanna kam sich vor wie im Auge eines Orkans. Hin und wieder bedachte Niclas sie mit Seitenblicken, die blankes Chaos in ihr auslösten. Die Art, wie er sie ansah, hatte mit bloßer Sympathie nicht mehr viel zu tun. In seinen Augen stand genau das, was sie selbst spürte: ständig wachsende Faszination und eindeutiges körperliches Verlangen.
    »Und Sie ziehen jetzt also nach Stockholm?«, fragte sie, in dem kläglichen Bemühen, die aufgeladene Atmosphäre durch Reden zu entspannen. »Werden Sie das alles hier nicht vermissen?«
    »Für Pelle wird es schwer werden«, gab er zu. »Zumindest am Anfang. Aber ich bin sicher, er wird sich daran gewöhnen.«
    »Und Sie? Wird es Ihnen schwer fallen?«
    »Ach, die Großstadt hat etwas für sich.« Er schwieg ein paar Augenblicke, dann schüttelte er den Kopf und fuhr leise fort: »Sie haben Recht. Es fällt mir schwer, hier wegzugehen.«
    Er schaute sie an, und diesmal lag offene Traurigkeit in seinem Blick. »Ich zeige Ihnen, warum.« Hinter der nächsten Biegung hielt er an. »Kommen Sie, dann werden Sie es verstehen.«
    Sie stiegen aus und erklommen die steinerne Anhöhe neben der Straße. Als sie oben angelangt waren, blieben sie stehen.
    »Das werde ich vermissen«, sagte Niclas einfach.
    Vom Scheitelpunkt der felsigen Höhe aus war der Blick atemberaubend. Die weite Schärenlandschaft erstreckte sich vor ihren Augen bis zum Horizont, nichts als Wälder, Wasser und grüne Inseln. Hanna wagte kaum Luft zu holen, so überwältigt war sie von dem Anblick. Es war nicht einfach nur die schöne Aussicht, die sie in Bann schlug, sondern etwas anderes, das tiefer ging als nur die Freude an der Landschaft. Im nächsten Augenblick wurde Hanna gewahr, dass sie längst nicht mehr über die Schären schaute, sondern werweiß wie lange nur Niclas angestarrt hatte. Sie schluckte und wandte sich ab, um zu einer höher gelegenen Felsformation zu gehen, wo sie sich auf einem kleinen Plateau niederließ.
    »Und Ihre Frau?« Hanna bemühte sich um einen lockeren Konversationston . »Was sagt sie zu Ihrer Entscheidung?«
    Er setzte sich neben sie. »Meine Frau?«, wiederholte er seltsam tonlos. »Sie ist vor zwei Jahren gestorben.«
    Hanna war schockiert. »Das tut mir Leid«, stammelte sie. »Ich... Ich wusste das nicht... Ich dachte...« Sie verstummte. Er würde sich wohl kaum dafür interessieren, was sie dachte.
    »Nein, nein«, sagte

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