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Sehnsüchtig (German Edition)

Sehnsüchtig (German Edition)

Titel: Sehnsüchtig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne Woodtli
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Praktikantin, natürlich in Ugg Boots und mit einer kleinen violetten Longchamps-Tasche am Arm. „Verzeihung, aber darf ich vielleicht ein Foto mit Ihnen machen?“
    „Sicher“, sagt er obwohl er eigentlich nach Hause will und sich wie immer etwas unwohl fühlt, wenn er in Anwesenheit seiner Familie, in diesem Fall nur von Lilli, angesprochen wird. Es kommt schon etwas weniger vor als direkt nach seinen Auftritten in der Fernsehserie, aber er hat sich immer noch nicht daran gewöhnt. Die Musik ist das eine, sein Privatleben das andere. Die junge Grafikerin , Alys, kommt ihm in den Sinn und wie sie ihn in wenigen Sätzen sehr treffend analysiert hatte als würde sie ihn schon lange kennen: „Du redest leidenschaftlich gerne über Musik. Viel lieber als über dein Privatleben, darüber redest du nicht gerne.“ Wie Recht sie hatte. Sein Privatleben ist ihm heilig. Darum kommt Irina auch selten an Konzerte mit und wenn, dann bleibt sie backstage oder steht irgendwo hinten in der Menge. Besonders interessant ist es für sie mittlerweile auch nicht mehr, sie hat ihn schon manches Mal auf der Bühne gesehen.
    Das Gesicht der Krippenpraktikantin glüht vor Aufregung. Sie holt ihr Handy aus der Tasche und er stellt den Kinderwagen auf den Gehsteig, zieht die Bremse wieder an. „Wir machen das Foto ohne meine Tochter drauf“, sagt er. „Sicher.“ Er legt den Arm um sie und nach zwei Versuchen ist sie mit dem Foto zufrieden. „Vielen Dank!“ Ihre dunkel geschminkten Augen sind grün und strahlen. „Darf ich noch ein Autogramm haben?“ Ihre Stimme klingt unsicher, als frage sie sich, ob sie ihr Glück zu sehr strapaziere. „Natürlich, danach muss ich aber rennen ...“ Es ist kalt draussen und es beginnt wieder zu schneien. Lilli aber ist zufrieden und betrachtet ihren Vater und seinen Fan interessiert. Er schlägt ihre Kapuze hoch und klappt das Dach des Kinderwagens nach oben. Die Praktikantin kramt inzwischen in ihrer Tasche nach etwas, dass sich zum Unterschreiben eignet. Schliesslich entscheidet sie sich für ihre Agenda und schlägt die aktuelle Seite auf. 25. November 2011. „Wie heisst du?“ Er greift nach ihrem Kugelschreiber. Das Emblem der lokalen Fussballmannschaft ist darauf gedruckt. „Die Mannschaft mag ich auch“, sagt er und lächelt sie an. Sie wird rot. „Ich heisse Ladina“. Sie probiert ein schüchternes Lächeln in seine Richtung. „Ladina“, wiederholt er und unterschreibt die Agenda schwungvoll. Für Ladina. Keep Rock’n’Roll alive. Eliot Wagner.
    Sie strahlt ihn an als er ihr die Agenda zurückgibt. „Vielen Dank, Herr Wagner.“
    „Nichts zu danken. Ich wünsche dir einen schönen Tag.“
    „Das wünsche ich Ihnen auch.“
    „Auf Wiedersehen“, sagt er und löst die Bremse des Kinderwagens.
     
    *
     
    Nach dem Essen wickelt er Lilli und legt sie für den Mittagsschlaf hin. Einen Augenblick hört er noch zufriedenes Gebrabbel aus dem Kinderzimmer, sie scheint sich mit ihrem Steiffbären namens Eric zu unterhalten, benannt nach Eric Clapton, der in einer Ecke ihres Betts sitzt und den sie heiss liebt. Sie hat ihn von der Band zur Geburt erhalten. Zusammen mit einem Gutschein für ihre erste Gitarre. Dann ist es still, sie ist eingeschlafen.
    Er macht sich einen Kaffee und setzt sich mit dem Laptop auf das Sofa im Wohnzimmer. Bling, Bling, Bling, verkündet der Laptop und lädt eine ganze Reihe E-Mails. Eliot nimmt einen Schluck Kaffee und kneift die Augen zusammen. Dann greift er nach der Brille und setzt sie sich auf die Nase. Plötzlich machen die Buchstaben Sinn und sind nicht nur irgendein unscharfes schwarzweisses Muster. Zuerst sortiert er die Junk-Mails und Newsletter aus. Er bestellt sie regelmässig ab. Aber wenn er zwei abbestellt hat, kommen am nächsten Tag drei neue rein. Die Dinger sind wie das Unkraut im Garten seiner Eltern. Und die Junk-Mails, irgendwelche äusserst queren Lotterien, Viagra besonders billig, ‚so kriegen Sie ihn ganz bestimmt grösser hin ...’
    Endlich kommt er zum Wichtigen: Eine Buchungsanfrage, ein Konzert im März in einem wirklich tollen Club, den er bis vor ein paar Monaten für eine Nummer zu gross gehalten hätte. Natürlich spielen wir dort! Ein paar T-Shirt- und CD-Bestellungen, die er immer noch selbst erledigt. Die Pakete einpacken, adressieren und auf die Post bringen. Ihm ist es wichtig, möglichst viel selbst zu machen. Die Kontrolle behalten. Die Offerten der drei Grafiker für das CD-Booklet sind ebenfalls reingekommen.

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