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Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Titel: Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Simon
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gestorben ist?
    GW     Ich war sehr traurig. Aber ich hatte vor allem Wut auf meinen Vater, dass er es nicht geschafft hatte, mit mir darüber zu sprechen.
    JS     Wie sah diese Wut aus?
    GW     Ich glaube nicht, dass ich sie ihm tatsächlich gezeigt habe. Aber er hat es gemerkt. Ich habe nicht geschrien oder so etwas. Das wäre bei mir gar nicht drin gewesen.
    JS     Hängt das mit der Erziehung zusammen, Gefühle zu zeigen bedeutet Schwäche? Bist du jemals völlig ausgerastet?
    GW     Ganz selten.
    CW     Nein, das ist nicht Opas Sache!
    GW     Ich habe das mehr in mich hineingefressen, es still mit mir ausgemacht.
    JS     Ich habe dich niemals wirklich außer dir erlebt. Bist du mal richtig wütend?
    GW     Ja, da gibt es große Szenen. Im gewissen Sinne bin ich bei den ganzen späteren Parteigeschichten konsequenter geblieben als Christa. Ich bin viel sturer als sie gewesen.
    CW     Eine ganz typische Sache für Gerd ist, dass er weggeht. Er stellt sich Konflikten nicht oder setzt sich nicht bis aufs Messer mit anderen auseinander. Wenn Leute ihm nicht mehr passen, geht er weg. Als er beim Radio arbeitete und merkte, dass es immer parteiischer wurde, hat er gekündigt. Als 1983 unser Haus in Neu-Meteln 10 niederbrannte, hat er gesagt, das wird nicht mehr aufgebaut. Er geht weg.
    JS     Ist das eine Flucht?
    CW     Auch.
    GW     Als Flucht würde ich das nicht bezeichnen. Das hat mit mir nichts mehr zu tun. Ich kann nichts mehr machen, also ist es für mich erledigt. Auch mit Menschen, die mich enttäuscht haben wie damals Thomas Nicolaou 11 , der uns jahrelang für die Stasi bespitzelte, möchte ich nichts mehr zu tun haben.
    CW     Das geht mir anders. Ich möchte gern noch einmal mit ihm sprechen.
    GW     Mich interessiert das nicht mehr. Ich weiß ungefähr, was da kommt und wie er reagieren wird.
    JS     Du kannst es einfach hinter dir lassen?
    GW     Ja, ich würde ihn auch nicht verfolgen oder anschwärzen. Das ist eine Enttäuschung. Schluss, aus, weg.
    CW     Ich kenne niemanden, der das so konsequent macht wie er.
    GW     Als 1956 der Ungarn-Aufstand war und ich noch beim Rundfunk arbeitete, war ich zufällig im Kranken haus …
    CW     … zufällig ist gut. Ich kriegte zufällig ein Baby!
    GW     Nein, mir wurden die Mandeln rausgenommen. Im Zimmer hörten wir die Nachrichten auf allen Sendern. Da war es für mich beim Radio ziemlich gelaufen. Die Leute dort gefielen mir nicht, ich führte nur noch Rückzugsgefechte. Ich war Leiter der Kulturpolitik, das war ein ganz schöner Posten. Ich hätte die Karriereleiter weiter nach oben klettern können. Aber das war nichts für mich, also habe ich gekündigt.
    CW     Gerd hat einen richtigen Riecher für Leute.
    GW     Ich vertraue dem ersten Blick bei Gedichten und auch in der Beurteilung von Menschen.
    JS     Hast du einmal falschgelegen?
    GW     Vielleicht, aber ich kann mich nicht daran erinnern.
    CW     Ich wundere mich manchmal, wenn wir neue Leute kennenlernen, sagt er erst mal gar nichts. Ich denke dann, wir sind einer Meinung. Und plötzlich sagt Opa einen Satz … aha …
    GW     Christa ist viel toleranter als ich, auch nachgiebiger. Sie bezieht die Dinge oft auf sich und macht sich Schuldgefühle, was ich alles nicht mache.
    JS     Worauf achtest du denn beim ersten Blick?
    GW     Das kann ich nicht beschreiben.
    JS     Was stößt dich ab?
    CW     Wenn jemand angibt, mehr aus sich machen will, dann ist bei Opa der Faden schon gerissen. Oder wenn jemand nicht »echt« ist.
    JS     Und was gefällt dir?
    CW     Wenn jemand für etwas brennt, das gefällt ihm – Maler oder Dichter. Da kann er sehr tolerant sein.
    GW     Die imponieren mir. Auf die gehe ich auch zu. Der Maler Günther Uecker 12 zum Beispiel, den kannte ich gar nicht persönlich, als ich ihn fragte, ob er ein Blatt für eine Graphik-Mappe zu Medea von Christa machen würde. Er kam deswegen 1996 nach Berlin. Als ich ihn vom Flughafen abholte, wusste ich nicht, was auf mich zukam. Wir fuhren die Seestraße hinunter, und plötzlich fing mein Auto an zu qualmen. Die Kupplung versagte. Vor mir hielt ein Wagen mit Türken, die mich beschimpften, weil ich so komisch fuhr. Uecker nahm das alles sehr gelassen hin. Wir stiegen in ein Taxi und fuhren direkt in die Druckerei. Zwischen uns gab es gleich eine sehr große Sympathie.
    CW     Gerd darf nicht

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