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Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)

Titel: Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Simon
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Leser ihre eigene Meinung bilden.
    GW     Fuhrwerken die beim Tagesspiegel eigentlich mächtig in deinen Texten herum?
    JS     Wenig. Sie kürzen, ich schreibe oft zu lang. Bei einer Tageszeitung hat man nicht viel Zeit. Ich schreibe meine Texte manchmal über Nacht, am nächsten Morgen müssen sie fertig sein, wenn es aktuelle Geschichten sind.
    CW     Du wolltest mit Frank doch einmal einen Stammtisch für junge Journalisten gründen und hast erzählt, dass deine Kollegen einfach nicht kamen.
    JS     Das ist unsere Generation! Irgendwas ist immer wichtiger.
    GW     So was funktioniert, glaube ich, nur, wenn es ein gemeinsames Ziel gibt.
    JS     Ich dachte, wir könnten uns über unsere Arbeit austauschen.
    CW / GW     Eine gemeinsame Sache!
    JS     Was soll das sein? Es gibt nichts, was wir gemeinsam wollen.
    GW     Zum Beispiel Europa. Wie stellt ihr euch das vor?
    JS     Das kannst du vergessen!
    CW     Und wenn ihr euch zum Beispiel vorgenommen hättet, dass ihr eine Zeitung gründet?
    JS     Das haben wir einmal versucht Anfang der Neunziger, das hat damals schon nicht geklappt. Man kann nur versuchen, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden. Große Visionen kannst du nicht entwickeln. Vielleicht wollen wir das auch gar nicht.
    GW     Das muss aber wieder einmal kommen.
    JS     Wenn schon ein einfacher Stammtisch, bei dem man sich nur einmal im Monat trifft, nicht funktioniert, dann weiß ich nicht, was gemeinsam klappen könnte.
    GW     Man muss sich im Beruf durchsetzen?
    JS     Das müssen wir alle.
    GW     Aber jeder will es allein.
    JS     Das ist das Problem.
    GW     Viele unserer Freundschaften aus der DDR -Zeit sind weg.
    JS     Keiner ist mehr übrig geblieben?
    CW     Doch. Volker Braun 20 , Christoph Hein 21 , Daniela Dahn 22 , Jochen Laabs und meine Frauenrunde 23 …
    JS     Wie kommt das?
    CW     Was uns damals zusammengehalten hat, ist nicht mehr da.
    GW     Und was uns unterschieden hat, war zuvor nicht thematisiert worden. Das brach dann mit einem Mal nach dem Mauerfall auf.
    JS     Was unterscheidet euch jetzt?
    GW     Günter de Bruyn 24 zum Beispiel, er ist katholisch, hat das früher aber nie betont. In seiner Autobiographie schreibt er nun, dass er über uns in SED -Kreise hineinkam. Dass wir deshalb mit ihm befreundet waren, auf die Idee wären wir nie gekommen. Ich habe das bei einer Buchpremiere für ihn artikuliert. 25 Er wollte nicht darüber diskutieren. Und mit den meisten, die aus der DDR weggegangen sind, ist es abrupt böse geworden. Da ist gar nichts geblieben.
    CW     Nicht abrupt, aber im Laufe der Zeit. Mit Sarah Kirsch 26 wurde es erst nach dem Mauerfall böse.
    JS     Warum dann so plötzlich?
    GW     Wir stimmten politisch nicht überein.
    CW     Einer der Punkte war der Umgang mit Thomas Nicolaou. Sie war sauer, dass wir nicht sofort, als herauskam, dass er für die Staatssicherheit gespitzelt hat, giftig auf ihn losgingen. Ich habe versucht, ihr das in einem Brief zu erklären. Man muss doch sehen, welche Entwicklung Thomas genommen hat, wo er herkommt. Damals kannten wir auch unsere Akten noch nicht. Dazu kommt ein Aspekt, den ich verstehe. Die Leute, die wie Sarah aus der DDR weggegangen sind, wurden drüben nicht mit offenen Armen empfangen. Dann kommt die Wiedervereinigung, und die Dagebliebenen sollen straffrei ausgehen. Wieso denn? Plötzlich hat man die Geschichte anders erlebt.
    JS     Habt ihr Thomas einmal wiedergesehen?
    CW     Im vorigen Jahr hat er angerufen, da war er in Berlin.
    GW     Einmal hat er einen ganz blöden Brief geschrieben.
    CW     Zuerst haben wir ihm einen Brief geschrieben und deine Tante Tinka 27 auch. Der Brief von Tinka war sehr emotional, sie schrieb, dass die Kinder so enttäuscht seien. Thomas gehörte zur Familie. Thomas schrieb zurück, die Kinder solle man mit solchen Sachen gar nicht behelligen. Er stritt alles ab und schrieb, dass er für die DDR gewesen sei. Darum ging es aber gar nicht.
    Dann rief er einmal an, und ich sagte: »Du, wir müssen doch mal reden, komm doch einmal her.« Ich wollte ihn aber nicht gleich am nächsten Tag sehen, ich wollte mich innerlich ein bisschen auf das Treffen vorbereiten. Ich fragte ihn, wie es ihm in Griechenland gehe. Er sagte, er und seine Frau Carola hätten dort eine Deutschschule eröffnet. Er gab mir die Nummer von Carola. Ich legte auf, wählte

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