Sei dennoch unverzagt: Gespräche mit meinen Großeltern Christa und Gerhard Wolf (German Edition)
ich mich verliebt. Das war allerdings sehr früh in unserer Beziehung, in Ausländer, in einen Bulgaren und in einen Russen. Aber ich kam nie auf die Idee, dass Gerd und ich uns trennen sollten. Eigentlich hat das unsere Beziehung nicht berührt. Ich wusste, dass ich niemanden finden würde, der mich so genau kennt, der, das, was mir so wichtig ist – die Arbeit und das Schrei ben –, begleiten würde. Einmal ganz abgesehen von den Kindern. Ich hatte wirklich großes Glück. Ich habe nie einen Mann getroffen, von dem ich erwartet hätte, dass er genau so passt.
JS Wie ist das bei dir, Opa?
GW Nichts, ist völlig anders!
JS / CW Na wie denn?
Gerhard Wolf schweigt.
CW Darüber redet er nicht, auch nicht mit mir.
JS Wie seht ihr euch gegenseitig?
CW / GW Das kannst du nachlesen in Er und ich . 18
JS Ich finde es schrecklich, dass ich bei meinen Großeltern immer alles nachlesen muss. Ich will es authentisch.
GW Das Authentische ist das, was wir schreiben!
JS Nee!
CW Ich habe mir manchmal überlegt, Jana, was Menschen über zehn, zwanzig Jahre zusammenhalten soll. Sie haben sich irgendwann mal ineinander verliebt. Gut! Dann kommen Kinder. Prima! Aber dann, was wollen sie um Gottes willen noch miteinander, wenn es da nicht irgendetwas gibt, das sie beide gemeinsam interessiert?
Gerd und ich haben nun wirklich über Jahrzehnte hinweg Tag und Nacht über die DDR , über Politik gesprochen. Manchmal haben wir über uns gelacht, weil wir wie ein Paar aus einem schlechten sozialistisch-realistischen Roman wirkten. Wenn wir nachts darüber diskutierten, was die Partei nun wieder angestellt hatte, wie sich die DDR entwickeln müsse und so weiter …
GW Das Verbindende ist das, was wir machen. Das ist wirklich stark. Man will nicht, dass der andere etwas Schlechtes schreibt.
CW Ein wichtiger Punkt ist ein gewisser Humor. Dass man zusammen lachen kann, auch übereinander.
GW Was Christa in Er und ich über mich schrieb, hat mir am Anfang gar nicht so gut gefallen.
CW Was heißt, nicht so gut gefallen! Du hast es abgelehnt, es war furchtbar! Ich habe geweint.
GW Das war nach Christas Todeskrankheit 1988 , als sie nach der Blinddarmoperation eine lebensbedrohliche Bauchfellentzündung hatte. Dann bekam sie auch noch die furchtbaren Tachykardien und musste gespritzt werden. Im ersten Augenblick dachte ich: Mensch, dieser Text jetzt, wo ich mich so um sie gesorgt habe! Da war ich ganz anderer Stimmung.
CW Du dachtest, das ist zu distanziert.
GW Was ich damals gelitten habe, kam im Text überhaupt nicht vor, war ausgeblendet. Christa hätte ja wirklich sterben können, und das wusste man auch.
CW Daraufhin legte ich den Text weg und schaute ihn lange nicht mehr an.
Mein Handy klingelt. Ich verlasse für einen Augenblick das Zimmer, kehre dann wieder zurück.
JS Das war Frank 19 . Ich habe ihm gesagt, dass er euch und das leckere Essen verpasst. Er geht jetzt zu einer Party.
CW Wie ist das bei dir und Frank, ihr seid nun schon eine ganze Weile zusammen, kannst du mit ihm über alles reden?
JS Ja, er sagt immer: Bleib doch mal locker! Früher war ich oft verkrampft, weil ich niemandem etwas von mir zeigen wollte. Bevor du enttäuscht wirst, erzähl besser nichts. Jetzt bin ich offener. Besonders in meiner Grufti-Zeit, so mit 13 , 14 , habe ich niemandem vertraut. Und da weiß ich noch genau, Opa, hast du mir einmal aus London so einen tollen dunkelroten Lippenstift mitgebracht. Ich dachte: Mensch, der hat erkannt, was ich jetzt brauche!
GW (lacht) Das war mir gar nicht bewusst gewesen. Vielleicht hattest du den ausgesucht? Bei dir hat man das irgendwie akzeptiert, wie ulkig du damals aussahst – die Augen so schwarz geschminkt, die Haare so seltsam toupiert, die vielen Ketten und Ohrringe.
JS Weil ich immer das lebensfrohe Element in unserer Familie war – viel Lachen, immer guter Laune sein.
CW Wie ist das bei dir, Jana? Du strebst doch nicht an, eine politische Journalistin zu werden, sondern beschreibst eher Alltagsprobleme und Menschen. Du willst keine politischen Kommentare schreiben, oder?
JS Nicht unbedingt. Aber nicht, weil es mich nicht interessiert, sondern weil ich nicht der Typ bin, der anderen seine Meinung aufdrängen will. Ich bin Reporterin, ich beschreibe lieber, und dann sollen sich die
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