Sei mein Stern
Ladys ließ das Häppchen sie links liegen. Entweder hatte er die schamlos zur Schau gestellte Anmache gar nicht zur Notiz genommen oder es tangierte ihn kein Stück.
„Wo möchtest du denn dein Glück versuchen?“, riss er sie stattdessen aus ihren Gedanken.
„Das ist mir eigentlich schnuppe. Ich war schon seit Ewigkeiten in keiner Spielbank mehr. Bevorzugst du die Automaten oder die Tische?“
„Ich tendiere zu Blackjack oder Roulette.“
Sie blickte ihn mit Unschuldsmiene an. „Gut, dann musst du mich aber mit den Spielregeln vertraut machen, ich habe das noch nie so richtig verstanden.“ Was rundum gelogen war, denn während eines Einsatzes in Monaco war sie gezwungen gewesen, sich ebendiese Spielregeln bis ins kleinste Detail zu verinnerlichen. Und auch wenn sie selbst nie große Erfolge hatte verbuchen können, wusste sie vermutlich mehr über das Glücksspiel als die meisten der hier Anwesenden. Doch heute war sie gezwungen, als völlig unbedarfte Journalistin aufzutreten.
Simon lachte, legte ihr sanft die Hand auf den Rücken und schob sie auf einen der Blackjack-Tische im oberen Stockwerk zu. „Im Grunde genommen ist das Spiel ganz einfach. Um zu gewinnen, musst du mit mindestens zwei Karten eine höhere Punktzahl als der Dealer erreichen. Einundzwanzig darfst du allerdings nicht überschreiten. Alle Bilder zählen zehn Punkte. Das As einen oder elf, die übrigen Karten entsprechen dem aufgedruckten Wert. Setz dich einfach her und schau zu.“
Sie schluckte. Mit wenigen Worten hatte er die komplexen Spielregeln zusammengefasst. Und so langsam ging es ihr mächtig gegen den Strich, neben diesem Ausbund an Intelligenz und Raffinesse ständig den Anschein eines erfolglosen Dummchens zu wahren, das zu dämlich war, einen Eimer Wasser umzuschütten. Urplötzlich überkam sie das unbändige Verlangen, den Schleier ihrer Tarnung zu lüften.
Aber dann geriet ihr Atem ins Stocken. Herrgott! Wie kam sie nur auf die Schnapsidee, sich zu outen? So ein selten dämlicher Gedanke war ihr in den ganzen Jahren als Agentin nicht ein einziges Mal durch den Kopf geschossen. Dieser Mann jedoch schien Saiten in ihr zum Klingen zu bringen, die ihren Verstand hin und wieder außer Kraft setzten.
Sie rief sich zur Ordnung und unternahm den Versuch, sich voll und ganz dem Spiel zu widmen. Und war nicht sonderlich verwundert, als sich nach einer knappen Stunde vor ihnen Berge von Chips auftürmten. Ihr Begleiter konzentrierte sich auf jeden Handgriff des Dealers und schien haargenau darüber im Bilde zu sein, welche Karte als nächste gezogen wurde. Gelegentlich intervenierte er, wenn sie im Begriff war, eine Karte zu viel zu ziehen oder eine abzulehnen, und da sie sich an seine Anweisungen hielt, ging sie in fast jedem Spiel als Sieger hervor.
Immer wieder stellte sie sich die gleiche Frage: War er nur mit einer unvergleichlichen Glückssträhne gesegnet oder konnte er tatsächlich berechnen, welche Karten noch nicht gespielt worden waren und der statistischen Wahrscheinlichkeit nach fallen würden? Falls ja, war das einfach unglaublich.
Doch die Beobachtungshaltung forderte ihren Tribut. Nach zwei Stunden brummte Jana dermaßen der Schädel, dass sie an ihre körperlichen Grenzen stieß. „Simon, wie wäre es mit einer kleinen Pause? Ich habe fürchterlichen Durst“, jammerte sie betont theatralisch.
Natürlich reagierte der Mann an ihrer Seite gentlemanlike. Er sprang auf, griff mit flinken Fingern nach ihrer Handtasche und schaufelte die Wagenladungen voll Chips hinein. Dass ihr diese Aktion kurzfristig den Atem verschlug, schien er glücklicherweise nicht zu registrieren.
Was, wenn er ihre Waffe entdeckt hätte?
Lässig reichte er ihr den Arm, sodass sie sich unterhaken konnte, und schlenderte mit ihr auf die Bar zu.
„Ein Glas Champagner? Oder setzt du das Zeug nur als Mittel zum Zweck ein, wenn du jemanden an der Nase herumführen willst?“, erkundigte er sich derweil mit belanglosem Unterton.
Jana schnappte überrascht nach Luft. Na toll! Wie um alles in der Welt hatte sie denken können, dass er inzwischen Vertrauen zu ihr gefasst hätte?
„Du wirst es nicht glauben, aber ich liebe Champagner“, flötete sie mit zuckersüßem Tonfall. Jetzt das angebotene Getränk abzulehnen, hätte seine Sinne erneut geschärft.
Simon lachte kurz auf, bevor er für sie Champagner orderte, sich selbst aber stur an Mineralwasser hielt. Und obgleich er ihr seine kompletten Chips überlassen hatte, ließ er es sich
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