Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)
derer wägen, die sich Moderatoren nennen? Ist es am Ende vielleicht sogar eine selbstgefällige Anmaßung, sich in intellektueller Arroganz zum Richter über den Geschmack anderer zu erheben, sie aufgrund ihrer schlichten Bedürfnisse verächtlich zu machen?
Denn weil die nichts lesen außer den Schnäppchen-Anzeigen
von Lidl, Aldi und Co., erfahren sie ja eh nie was von der Verachtung der ihnen fremden anderen. Was den Umkehrschluss erlaubt, dass allenfalls offene Türen unter seinesgleichen einrennt, wer von den üblichen verdächtigen Besserweisen in Zeitungen und Zeitschriften des aufgeklärten Bürgertums seine Verachtung fürs Prekariat in wohlfeile Sätze verpackt.
So betrachtet wäre es ein Quantensprung und ein Quotensprung, könnte man aus der selbst verschuldeten Not eine selbstkritische Tugend machen und die Entscheidung über die blödeste Moderatorin oder den blödesten Moderator dem gemeinenVolk überlassen. Man gehört ja schließlich nicht zu der Schicht – danke! -, die sich Florian Silbereisen oder Marco Schreyl als Schwiegertochter oder Schwiegersohn vorstellen kann.
Sie ein wenig zu quälen allerdings ist erlaubt. So machen sie es ja auch in ihren Sendungen mit ihren Kandidaten. Die sechzehn in den regionalen Castings für das Finale Ausgewählten müssten vor der Nacht der Stars eine Woche lang mit ihren Konkurrenten nicht die Wohnung oder die Gattin oder den Mann oder ein Haustier tauschen, sondern ihre Sendungen. Das wäre mal ein echter Härtetest. Denn wer einmal gesehen hat, wie eine Frau aus besseren Kreisen der Oberschicht, die blöd genug war, sich für die Vorführung in einem allen einsichtigen Menschenkäfig freiwillig gemeldet zu haben, beim Blick in die ihr zugewiesene Wohnhöhle und auf deren stinktierähnliche Bewohner hilflos schluchzend zusammenbrach, weiß um die Schwere dieser Aufgabe und ahnt schaudernd, wie auf den Ebenen des Gewöhnlichen der deutsche Alltag mieft.
Deshalb sollen den die Moderatoren auch mal erleben. Ihnen werden die Aufgaben gestellt, die sie bisher anderen kalt lächelnd zugemutet haben. Ihre Gemeinheiten rächen sich
nun. Wer schon möchte Jörg Pilawa das Frühstück ans Bett bringen müssen? Wer für Hugo Egon Balder den Sprachmüll trennen? Wer mit Jörg Kachelmann den Samstagabend auf der Couch verbringen und gemeinsam im Ersten einen Film aus der ARD-Unterschichten-Reihe Da wo … (die Freundschaft wohnt, die Liebe ruckeldizuckelt, die Berge glühen, der Wildbach rauscht etc.) – Hauptrolle bis zum letzten Almabtrieb stets Hansi Hinterseer – durchstehen müssen?
Eine ganz bestimmte Moderatorin, nennen wir sie zum besseren Verständnis hier einfach Inka Bause, dürfte beispielsweise nicht wie sonst in einer ihrer Shows einen Bauern von der ihm nahen Ziege wegzerren und mit einer läufigen Ex-Friseuse paaren, sondern müsste dem Landadligen, bei dessen Anblick selbst Frankensteins Töchter ins nächste Kloster flüchten würden, eine standesgemäße Braut vor seine Flinte treiben. Ein bestimmter Moderator dürfte dann beispielsweise nicht wie gewohnt mit dümmlichen Fragen täglich um 14 Uhr die eigentlich auf seinem Niveau agierenden Gäste an ihrem eh geringen Verstand zweifeln lassen, sondern müsste als Oliver, der etwas andere Restauranttester, in versifften Küchen deutscher Vorstadtkneipen die im ranzigen Fett um ihr Leben kämpfenden Kakerlaken vor Köchen retten, die sie als Beilage fürs Eisbein garnieren wollten.
Und sie alle müssten sich unter schadenfreudiger Anteilnahme des Millionenpublikums in Aufgaben bewähren, die sie in ihren Sendungen denen vorgeben, die trotz ihrer beschränkten Möglichkeiten bei der öffentlichen An- und Hinrichtung mitmachen. Ein paar willkürliche, aber nicht zufällig gewählte Beispiele: sich einen ganzen deutschen Satz überlegen, den sie nicht auf dem Teleprompter ablesen, sondern selbst zu formulieren hätten. Sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Mutter und Tochter Hellwig oder die Überlebenden der Jacob Sisters samt Pudel interviewen.
Den Moonwalk von Michael Jackson tanzen. Wenigstens einen Fernsehfilm benennen, in dem Veronica Ferres garantiert nicht mitgespielt hat. Wissen, nach welchem Tor in welchem Spiel Lothar Matthäus seine Leidenschaft, statt zu ballern in fränggischen Urlauten zu labern, entdeckt hat.
Wäre das nicht schön?
Wäre das nicht erfolgreich?
Wie nähert man sich denen am besten, die »Wow!« sagen, wenn sie auf der Suche nach einem möglicherweise
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