Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition)

Titel: Seichtgebiete: Warum wir hemmungslos verblöden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Jürgs
Vom Netzwerk:
die von Grenzdebilen für Debile mit Berufsziel Hartz IV produziert worden sein müssen. Ihnen gilt der Seufzer: Herr, nimm sie zu dir, und dies möglichst bald! Einmal das bereits erwähnte Are U Hot auf Viva, dann die Gerichtsshow Echt gerecht auf Super RTL, wo von Mimen, die selbst Betreiber von Geisterbahnen, vom Grauen gepackt, sogar dann ablehnen dürften, falls die Bewerber als Gagen nur ein warmes Mittagessen verlangen würden, sogenannte alltägliche Fälle nachgestellt werden. Und schließlich Mister Perfect auf Sat.1, präsentiert von einem Moderator namens Alexander Mazza, der sogar bei jenem oben spielerisch ausgedachten regionalen Wettbewerb nicht zugelassen worden wäre. Nicht mal die Verantwortlichen schauten sich das lange an und machten das Licht bald aus.
    Bei Mister Perfect gab es, na was schon: eine Jury – doch weil diesmal der rundum tollste Mann gesucht wurde und nicht irgendein aus dem Hals singender Tanzbär, saßen in der nur drei weibliche D-Prominente. Ein Gentleman hört sich die an und schweigt. Alexander Mazza ist keiner. Er kommentierte die supergeilen Sprüche, und es gelang ihm mühelos, jeden sprachlich und gedanklich zu unterbieten. Im Studio freuten sich vierhundert jüngere Frauen auf die Chance, per Knopfdruck einen Kandidaten rauszuwählen. Wen es dabei in Form eines Wasserschwalls traf, war egal, denn die Männer waren in ihrer Schlichtheit austauschbar. Was wiederum nicht überraschend ist.Wer sich für ein solches
Spiel meldet, muss ganz einfach eine Klatsche haben, auch wenn die nicht auf den ersten Blick deutlich erkennbar ist.
    Das liest sich so hingeschrieben natürlich menschenverachtend gemein. Denn eigentlich können die Genannten nichts dafür, dass sie blöd sind. Im normalen Leben würden sie gar nicht weiter auffallen. Sie wären da nie einsam, nie allein, Millionen sind genauso wie sie. Die eigentlichen Menschenverächter sind aber die verantwortlichen Produzenten für diese und viele andere Formate. Sie bleiben unsichtbar. Keiner kennt sie außer ihren Familien. Über sie und ihre unterschiedlichen Brüder unter gleichen Kappen wie jene aus dem zweitältesten Gewerbe der Welt, die Verleger von Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, wird noch zu schreiben sein. Freundlicher wird das nicht. In diesem Kapitel hier geht es nur um sichtbar werdende Beleidigungen, um die täglich versendeten Attacken auf Geschmack und Verstand.
    Kann man sich denn nicht einfach ausblenden und die Pflege der Blöden den Blöden überlassen? Wer ist gezwungen, sich auf Seichtgebiete zu begeben?
    Niemand, das stimmt.
    Aber bedeutet das nicht, sich resignierend damit abzufinden, dass Deutsche mehr denn je verblöden, was ja nicht ohne Auswirkungen bleiben kann auf die innere Verfassung der Republik? Und damit doch die ganze Gesellschaft betrifft?
    Wieder nur rhetorische Fragen. Es ist ja längst so, wie es in denen umschrieben wird. Die hemmungslose Verblödungsmaschine läuft und läuft und läuft. Was sie ausspuckt, findet in der Gegenwart statt. Täglich. Stündlich. Immer.
    In einer Nacht wie vielen anderen beklagte eine Frau, die von hinten blond aussah wie Sydne Rome in ihren männermordenden besten Zeiten und, als sie sich zur Kamera drehte, wie Leni Riefenstahl nach ihrem letzten Tauchgang,
dass sie als seriöse Schauspielerin (!) keine Rollen mehr bekommen würde, sobald die Produzenten ihre prallen Möpse erblicken würden. Sie sagte tatsächlich »Möpse« und hielt dieselben, mit beiden Händen klammernd, anklagend hoch. Das hohe Gericht blickte beeindruckt.
    Worum ging es in diesem offensichtlich besonderen Fall bei »Echt gerecht«? Eine Krankenschwester war angeklagt, weil sie vor einer Schönheitsoperation aus Versehen die Akten von zwei Patientinnen verwechselt hatte. Die eine wollte kleinere, die andere größere Brüste.Wie das Leben so spielt, tat der Arzt gemäß der Vorgabe, die in den Akten stand, seine schnittige Pflicht. Leider machte er dabei die großen Brüste noch größer und die kleinen noch kleiner. Kann er was dafür? Hätte er vielleicht nachdenken sollen, bevor er zum Skalpell griff? Nein, hätte er nicht. Fürs Nachdenken wird er nicht bezahlt. Freispruch! Die Krankenschwester dagegen wurde zu sechs Monaten mit Bewährung verurteilt.
    Dass die Szenen alle von irgendwelchen Knattermimen gestellt waren, die alle eine ihnen vorgeschriebene Rolle erfüllten – nein, spielen darf man das nicht nennen -, mag Gemüter erfreuen, die gern mal kleinere oder

Weitere Kostenlose Bücher