Seidendrachen
so feige davon gelaufen wärst… Gib doch zu, dass du etwas für mich empfindest. Das habe ich deutlich gespürt.“
Jarin holte tief Luft. „Das stimmt, aber es genügt nicht, um...“ „…es auszuleben? Mit mir auszuleben? Wovor fürchtest du dich? Vor mir? Vor meiner Erfahrung? Vor dem Geschwätz der Heuchler, die nichts anderes tun als wir?“
Vor deinem ungestümen Temperament. Ich bin dem einfach nicht gewachsen. Du bist wie ein Raubtier, das sich nimmt, was es begehrt, antwortete Jarin im Stillen.
Nicolas kam immer näher und Jarin wich automatisch zurück, bis er mit dem Rücken zur Wand stand. Nicolas stützte sich mit beiden Händen an der Wand ab, so dass Jarins Kopf genau zwischen ihnen lag. Sein Atem streifte wieder die Wange des Jüngeren, genau wie damals, und wieder wurden Jarins Knie weich. Nicolas roch so gut.
„Du zappelst immer noch in meinem Netz, mein Lieber. Glaub mir, es ist nur eine Frage der Zeit! Deine kleine Affäre soll dir ruhig die Unschuld rauben. Aber eine Zukunft werdet ihr beide nicht haben. Nicht in diesem Schloss“, sagte Nicolas leise.
Der Duft von Regen, Blumen und Moos an jenem Frühlingstag kam Jarin wieder in die Erinnerung und sein Herzschlag beschleunigte sich unkontrolliert. Warum reagierte er nur so heftig auf die Nähe dieses athletischen Mannes? Eines Mannes, dessen untere Körperpartie ihm gerade sein unverhohlenes Begehren zeigte. Hinter ihnen hing ein riesiger Wandteppich, der die Kälte der Mauer milderte, gegen die er gepresst wurde. Jarin wandte den Kopf zur Seite, doch das gab Nicolas nur die Gelegenheit, mit seinen Lippen und seiner Zungenspitze die empfindliche Halspartie seines Opfers zu liebkosen. Ein angenehmes Kribbeln breitete sich in Jarin aus und er merkte, dass sein Körper etwas ganz anderes wollte als sein Gehirn.
„Lass mich“, keuchte Jarin.
„Nur fürs Erste“, gab Nicolas scheinbar nach, obwohl er sich nur ungern von dem appetitlichen Jüngling losriss. Er atmete schwerer. Noch immer gab es höchstens eine Handbreit Platz zwischen ihnen. Am liebsten hätte er ihm hier und jetzt die Kleidung vom Leib gerissen.
„Gib gut auf deinen kleinen Chinesen acht . Er sieht ziemlich zerbrechlich aus! Besonders seine Hände“, bemerkte Nicolas dann und ein verdächtiges Glitzern tauchte in seinen Pupillen auf. Das hörte sich ja fast an wie eine Drohung. Dabei wollte Nicolas Jarin nur einschüchtern. Er hatte nicht vor, den Protegé des Königs zu verletzen. Jarin kam schlagartig zur Besinnung und blickte dem Hauptmann jetzt fest in die Augen.
„Genau deshalb steht er ja unter meinem Schutz“, war die nüchterne Antwort.
Ein leises spöttisches Lachen war die Antwort. Jetzt nahm Jarin allen Mut zusammen und stieß den gut aussehenden Hauptmann von sich weg. Nicolas taumelte rückwärts. Sein erstaunter Blick zeigte Enttäuschung, aber gleichzeitig auch Hoffnung.
„Es… es tut mir leid“, stammelte Jarin und eilte durch den immer noch menschenleeren Gang davon. Von nun an schwor er sich, Nicolas aus seinen Gedanken zu verbannen. Am gleichen Abend bat Pater Simon Jarin um eine Unterredung. Gemeinsam gingen sie nebeneinander her durch den Schlosspark und genossen die zunehmend wärmere Frühlingsluft. Eine Amsel sang ihr Abendlied und eine zweite stimmte ein.
Auf einem der Vorplätze wurden bereits Vorkehrungen für das Turnier getroffen und die hölzernen Tribünen errichtet. Immer mehr Adelige waren in den letzten Tagen in Paris eingetroffen. Die Mietställe waren voll mit edlen Pferden, die für die Zeit der Feierlichkeiten dort untergebracht waren. Ein buntes Treiben und eine gewisse Hektik lagen in der Luft.
Auch Jarin berichtete aufgeregt, was er in den letzten Wochen gelernt hatte. Einziger Wermutstropfen war, dass er an diesem Turnier nicht teilnehmen durfte. De Vervier hatte es ihm und zwei seiner eigenen Rekruten verweigert. Das Gute daran war, dass der Hauptmann in den nächsten Wochen mit anderen Dingen beschäftigt sein würde und sich nicht um ihn kümmern konnte. Doch davon erzählte er dem Pater natürlich nichts. Simon hörte zu, war jedoch mit seinen eigenen Gedanken ganz woanders. Nervös versuchte der Pater, einen Anhaltspunkt zu finden, um Jarin für seine Zwecke einzuspannen.
„Ich hoffe, du bleibst unserem Kloster verbunden, trotz deiner verantwortungsvollen Aufgabe hier“, meinte er daher plötzlich. Jarin blickte ihn erstaunt an.
„Aber natürlich. Ich werde niemals vergessen, was die Brüder für mich
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