Seidene Küsse
bei diesem Ritual einen Zaungast hat. Beim Tanzen bemerkt Saskia, dass im Treppenhaus gegenüber das Licht angeht. Jemand steigt die Treppe empor, verschwindet aber nicht in einer Wohnung. Sonst würde ja irgendwo das Licht angehen. Stattdessen fühlt sich Saskia auf einmal wieder beobachtet. Sie sieht aus dem Fenster. Dunkelheit im Treppenhaus, in allen Wohnungen. Das Gefühl, exponiert zu sein, hält an. Übermütig dreht sich Saskia ganz nah am Fenster, sodass ihr weiter Rock nach oben schwingt und ihren nackten Unterleib zur Schau stellt.
Das wird ein toller Abend, da ist sie sich sicher.
Saskia hält die Spannung nicht mehr aus. Sie muss den Namen ihres virtuellen Liebhabers herausfinden, bevor sie zum Taxistand geht. An der Bordsteinkante bleibt sie stehen, legt den Kopf in den Nacken und zählt die Stockwerke ab. Zweiter Stock links. Mit dem Zeigefinger verfolgt Saskia die Stockwerke auf dem Klingelbord.
Konstantin Roll. Büro für Architektur und Modellbau.
Kein Zweifel. Das ist er. Und deshalb ist er zu den unmöglichsten Zeiten zu Hause.
»Konstantin«, formuliert Saskia laut auf dem Rücksitz des Taxis. Immer und immer wieder. »Konstantin …«
Seitdem ist Saskia noch aufmerksamer, wenn sie aus dem Haus geht. Sie kann seit Wochen keinen Schritt mehr vor die Tür tun, ohne auf Konstantins Fenster oder Haustür zu schauen. Ununterbrochen fühlt sie sich beobachtet, dreht sie sich unvermittelt um, wenn sie in ihrem Viertel Besorgungen macht. Sieht sich im Supermarkt nicht nur die Waren, sondern auch jeden einzelnen Einkäufer an.
Trotzdem hat sie Konstantin wieder nicht kommen sehen. Aber seine Stimme erkennt sie sofort. Diesmal raunt er ihr von hinten Dinge ins Ohr, die sie noch nie zuvor getan hat. Saskia nennt ihn beim Namen: »Konstantin?«
»Ja.«
Diesmal möchte Saskia sich umdrehen. Doch Konstantin hält sie mit festem Griff auf.
»Noch nicht«, sagt er so bestimmt, dass Saskia nicht wagt, den Bann zu brechen, der zwischen ihnen besteht.
»Wirst du das, was ich dir beschrieben habe, für mich tun?«
»Ja«, antwortet Saskia gehorsam.
»Heute um zweiundzwanzig Uhr? Geht das?« Tief, samtig, fordernd ist seine Stimme.
»Ja.« Zu mehr ist Saskia nicht fähig. Ihr seidenes Höschen fühlt sich schon wieder pitschnass an. Sie fürchtet, ihr Saft könne unter dem dünnen Kleid die Schenkel entlangrinnen und auf den Supermarktboden tropfen.
»Schön.«
Wie hatte er es geschafft, ihr unbemerkt zu folgen?
Es ist zweiundzwanzig Uhr fünf. Gemäß Konstantins Anweisungen hat sich Saskia in ihrem rotschwarzen Spitzen-Set vor ihr hell erleuchtetes Wohnzimmerfenster gestellt, auf den fünfzehn Zentimeter-Absätzen ihrer rotschwarzen Stilettos, die sie nur für ihn angeschafft hat, bafancierend. Groß. Breitbeinig. Wie die berühmten Akte von Helmut Newton. Ganz langsam –fast wie in Zeitlupe – lässt sie die Hände über ihren Körper streichen.
Plötzlich geht in der schönen Designer-Küche gegenüber das Licht an. Die Gardinen werden aufgezogen. Zum ersten Mal kann Saskia ihren Nachbarn genau sehen. Gebannt starrt sie hinüber, ihren Körper nur noch unbewusst berührend. Nun ist sie der Voyeur. Sieht zu, wie Konstantin sich ihr präsentiert. Sich langsam vor ihr entblößt. Ein Kleidungsstück nach dem anderen. Über seinen schlanken Körper streicht. Hand an sich legt. Den harten Schwanz umfasst. Zu reiben beginnt. Zum Höhepunkt kommt. Sich ihr offenbart.
Saskia liebt Konstantin.
In Saskias Wohnung stehen überall Umzugskisten herum. Die Räume sind nun anders eingerichtet. Konstantin sitzt im Wohnzimmer an seinem Arbeitstisch und baut an einem Modellhaus. Saskia kommt zur Tür herein. Sie schleppt schwer an einem Packen Stoff.
»Komm, hilf mir mal.«
Konstantin nimmt sich eine Leiter, die vor dem hohen Bücherregal steht, platziert sie vor dem Panoramafenster und steigt rauf.
»So. Gib mir den Ersten.«
Saskia reicht ihm eine Stoffbahn und beobachtet Konstantin aufmerksam dabei, wie er den blickdichten auberginefarbenen Vorhang aufhängt.
»So!«
Saskia zieht die beiden schweren Stoffbahnen zurück, während Konstantin von der Leiter steigt. Liebevoll sieht er Saskia an, die ihn schüchtern anlächelt. Konstantins Blick verrät Verlangen. Er schmunzelt, nähert sich ihr und nimmt sie in die Arme.
»Warte mal.«
Saskia macht sich los, sieht zum Fenster. Sie zieht die Vorhänge zu.
»Du bist nicht normal«, stellt Konstantin kopfschüttelnd fest.
Strahlend fällt Saskia ihm in
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