Seidene Küsse
einem Mann zu wärmen, war für sie durchaus in Ordnung. Schließlich wollte sie dem Richtigen auch in dieser Hinsicht etwas bieten. Sie wollte nicht nur wie ein Brett unter einem Mann liegen. Es gefiel ihr, auch mal die Initiative zu ergreifen. Und hier hatte sie schon einiges auf Lager, worauf sich ihr Zukünftiger freuen konnte. Für sie kam sowieso keiner in Frage, der eine unberührte Frau als das höchste Gut dieser Erde betrachtete. Im Bett wollte sie gern eine Hure sein. Pah, warum auch nicht?! Wieso sollten Frauen heute immer noch keine Erfahrung haben, während ein Mann durchaus darüber verfügen konnte? Dafür war sie von ihren Eltern viel zu frei erzogen worden.
Im Haus gegenüber wurde Licht angeschaltet, und Francesca traute ihren Augen nicht. Da musste jemand Neues eingezogen sein. Deshalb der Möbelwagen vor einigen Tagen!
Was sie nun sah, ließ ihr den Atem stocken. Da die Häuser zur Straße hin sehr nah beieinander standen, war es für sie ein Leichtes, alles genau zu erkennen. Ein Mann trat splitterfaser-nackt in den Raum. Selbst wenn er Kleidung getragen hätte, so hätte man ihn trotzdem niemals übersehen. In Licht gehüllt, erblickte Francesca einen Körper, der vor Energie strotzte. Im glei chen Augenblick sah sie sein Gesicht, al lerdings zu kurz, als dass sie es genau hätte erkennen können. Immer nur eine kurze Sequenz, ein Eindruck, nichts Genaues. Verwegen und helles Haar. Mal trat er in den Schatten, dann wieder daraus hervor. Als er dem Fenster den Rücken zuwandte, konnte sie einen Blick auf seinen strammen Arsch werfen, ehe er sich wieder zur Seite drehte. Plötzlich musste sie hart schlucken. Sie atmete leise, gerade so, als könne er sie hören. Vollkommener Blödsinn.
Immer noch hatte er sie nicht bemerkt, aber sie konnte sich auch nicht abwenden, zur Seite gehen. Sie war gefangen von dem Spiel seiner Muskeln, die dem Schatten und dem Licht huldigten. Nicht, dass er einer dieser muskelbepackten, Gewichte stemmenden Fitnessstudiogänger gewesen wäre, nein, er war einfach schön trainiert. Er fuhr sicher viel Rad, denn wenn er ein Stück in den Raum hinein ging, konnte sie die strammen Waden sehen, wie nur Radfahrer sie hatten. Sobald er sich umdrehte, war sein Körper ein großes V. Wie modelliert von Künstlerhand wirkte er auf sie, so als hätte da jemand mit viel Liebe dran gearbeitet. Sein ver wegenes Gesicht erin nerte sie vage an jemanden …
Francesca trug nur ein knappes T-Shirt, denn sie war aus dem Bett aufgestanden, weil sie nicht hatte schlafen können. Im Sommer schlief sie gern nackt, aber im Winter brauchte sie ein leichtes T-Shirt; ihre Schultern mussten bedeckt sein, so konnte sie besser schlafen. Hoffentlich sah er nicht ausgerechnet jetzt herüber und bemerkte sie. Sollte sie einfach zur Seite gehen? Nein, noch nicht. Sie war viel zu fasziniert von diesem Mann ohne Kleidung. Alles an ihm wirkte stark und doch katzenhaft. Geschmeidige Bewegungen, gepaart mit Kraft und Stärke. Plötzlich verschwand er aus ihrem Blickfeld, Licht wurde ausgeschaltet, und die Dunkelheit, die so schlagartig kam, brachte sie in die Gegenwart zurück. Noch konnte sie gar nicht begreifen, was sie da eben getan hatte. Eigentlich sollte sie sich schämen, dass sie Zeuge eines so intimen Moments geworden war. Aber Scham wollte sich nicht einstellen. Eher bekam sie Lust. Ach was, wer nackt in einer Wohnung herumlief, musste sich nicht wundern, wenn er dabei gesehen wurde. Wie er wohl war, wer er wohl sein mochte?
Sie schlenderte zurück ins Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Irgendwie wollte sich der Schlaf nicht über sie senken. Ihre warmen Decken hüllten sie ein. Dieser Mann hatte ihr unbewusst Lust bereitet. Immer wieder tauchte er vor ihrem geis ti gen Auge auf.
Jede Nacht führten sie ihre Schritte automatisch an das Küchenfenster. Na gut, gab Francesca vor sich selber zu, ihre Hoffnung war, diesen nackten Kerl wieder zu sehen. Nichts. Kein einziges Mal. Nicht einmal angezogen war er aufgetaucht, als sie heimlich rübergeschielt hatte. So einen Kerl müsste sie mal kennen lernen. Rein äußerlich natürlich, in dem Fall zählten keine inneren Werte. Der war sicher ein Macho.
Francesca schleppte gerade die Einkaufstüten zu ihrer Wohnung, als ein Radfahrer fast in sie hineinfuhr. Die Bremsen quietschten laut, und eigentlich wartete sie fast auf die Kollision. Geistesgegenwärtig sprang sie zurück, woraufhin einige Man darinen aus den Tüten kul lerten und eine Tasche
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