Seidene Küsse
samt Inhalt auf dem Pflaster landete.
Schließlich besah sie sich den Schaden, den er angerichtet hatte, dieser … ja, Rowdy!
»Verdammt, müssen Sie so schnell auf dem Bürgersteig fahren! Sind Sie vielleicht allein auf diesem Planeten!«
Gebückt sammelte sie die Lebensmittel ein, steckte sie in die Tasche und warf einen Blick nach oben. Woher kam er ihr nur so bekannt vor? Egal. Wütend stopfte sie die Nudeln und das Putenfleisch zu den Mandarinen.
Betreten stellte er sein Rad ab. »Es tut mir leid. Ich war so in Gedanken. Lassen Sie mich helfen.«
Als er sich bückte, sah sie seine Augen, die so grau waren wie ein stür mi sches Meer.
»Ausgerechnet, wo solch ein Siffwetter ist. Altes ist jetzt schmutzig.« Seltsamerweise verrauchte ihre Wut mit jedem Wort und jedem Blick in seine Augen.
Beide hoben die restlichen Mandarinen, die Zitronen und alles andere auf und sahen sich dabei immer wieder in die Augen. Die Zeit blieb für den Hauch eines Augenblicks stehen.
»Normaterweise passe ich wirklich auf, wo ich hinfahre.« Hilflos sanken seine Schultern herab. »Ich weiß auch nicht, warum heute nicht.«
So glimpflich wollte sie ihn nicht davonkommen lassen. »Nun, es beruhigt mich, dass Sie das nicht hobbymäßig tun!«
Kurz begegneten sich ihre Blicke, bevor beide herzhaft lachten.
Es war zu komisch, wie sie da auf dem Boden hockten und die Lebensmittel aufsammelten, wie ein Klischee aus einem bil-li gen Film.
Beide erhob en sich vom Boden und standen sich kurz schweigend gegenüber.
»Also, bis irgendwann«, sagte sie schlicht. Es kam keine Antwort, dafür starrte er sie an.
»Moment«, rief er, als Francesca sich gerade umdrehen wollte, um die Haustür aufzuschließen. Sie warf einen Blick zurück. Und wartete.
»Was halten Sie davon, wenn ich Sie auf einen Drink einlade?«
Etwas neugierig und auch abwartend sagte Francesca: »Und wo?«
Er überlegte. »Wie wäre es im
Shmock.
Kennen Sie das?« Allmählich wurden die Tüten zu schwer. »Klar. Na gut.« »Sagen wir, heute um sieben?«
Der glaubte doch nicht, dass sie so tun würde, als wäre sie jederzeit verfügbar?
»Heute habe ich keine Zeit. Bei mir geht’s erst übermorgen.«
»Abgemacht. Ich hole Sie zehn Minuten vorher ab. Ich weiß ja, wo Sie wohnen.« Das Lächeln, das über sein Gesicht zog, ließ es gar nicht mehr so unsympathisch aus sehen: Seine Zähne blitzten strahlend weiß, zwischen den Schneidezähnen war eine kleine Lücke. Er gefiel ihr. Sicher, es war ein schlechter Start, aber letztendlich hatte er ihr geholfen, die Sachen wieder einzusammeln, und ihr sogar einen Drink angeboten.
»Übrigens, ich bin Francesca.«
»Oliver.«
An wen erinnerte er sie bloß?
Inzwischen kamen sie von der vierten Verabredung zurück. Wie immer begleitete er sie nach Hause. Wo er wohnte, das hatte er ihr noch nicht erzählt. Fast hütete er es wie ein Staatsgeheimnis. Ob er ihr wohl heute zum Abschied einen Kuss geben würde? Er sah sie immer so an, als werde es gleich passieren. Dann geschah es wieder nicht. Gern hätte sie gewusst, ob er sich ihr zart oder hemmungslos nähern würde. Wie sich wohl seine Zunge in ihrem Mund anfühlte?
Fast hatte Oliver die Gedanken an den Mann von gegenüber verdrängt. Trotz dem spukten beide abwechselnd in Franc escas Kopf umher. Von der Statur und von der Haarfarbe her erinnerte Oliver sie stark an ihr nächtliches Phantom, wie sie den Mann von gegenüber heimlich in Gedanken nannte.
»Du bist so schweigsam, Francesca.«
»Ach, nichts Wichtiges.«
»Ah ja. Siehst du deshalb so verträumt aus?« Sie bogen gerade in ihre Straße ein, nur noch wenige Schritte, bis sie es wissen würde.
»Kann nicht sein. Ich habe nur den Abend sehr genossen. Und ich musste daran denken, wie du mich mit deinem Fahrrad angerempelt hast.«
Er lachte. Ein raues Lachen. Inzwischen gefiel ihr sein Gesicht. Es war nicht eines der Gesichter, die einen vom ersten Augenblick an gefielen, nein, erst beim zweiten Hinsehen wurde es schön. Etwas zu herb war es geraten, und eine Narbe über die rechte Wange verlieh ihm fast einen harten Zug. Nicht so, wenn man ihn näher kannte. Wenn er lachte, so wie eben, wurde sein Gesicht unglaublich weich. Und am liebsten hätte sie ihm über die Narbe gestrichen.
Immer wenn Oliver sie im
Shmock
mit seiner Hand berührt hatte, wäre es ihr am liebsten gewesen, er wäre weitergegangen. Trotzdem, sie hätte nicht beim ersten Mal mit ihm geschlafen, selbst wenn er sie geküsst hätte, was ja
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