Seidenfächer
die Vögel die Reissaat, die unsere Männer säen wollen, so dass wir ihnen keine weiteren Söhne mehr schenken können.
Wie geplant hielten meine Träger in Jintian. Ich stieg nicht aus der Sänfte aus, aus Angst, jemand könnte mich sehen. Die Tür ging auf, und Schneerose, deren Sohn an ihrer Schulter eingeschlafen war, stieg ein. Es war acht Monate her, seit ich sie im Gupotempel gesehen hatte. Ich hatte erwartet, dass sie durch ihre viele Arbeit die Fülle, die sie während der Schwangerschaft erlangt hatte, wieder verloren hatte, aber unter ihrer Jacke und ihrem Rock war sie immer noch rundlich. Ihre Brüste waren größer als meine, obwohl ihr Sohn im Vergleich zu meinem sehr dünn war. Ihr Bauch wölbte sich, und deshalb hatte sie sich ihren Sohn wohl an die Schulter gelegt, statt ihn in die Arme zu nehmen.
Sanft drehte sie ihren Sohn um, damit ich ihn sehen konnte. Ich nahm meinen Sohn von der Brust und hob ihn hoch, so dass sich die Babys ansehen konnten. Sie waren nun ungefähr sieben und sechs Monate alt. Es heißt ja, dass alle Babys schön sind. Mein Sohn war es auch, aber ihr Junge war trotz seiner
dicken schwarzen Haare dünn wie ein Schilfrohr, seine Haut war kränklich gelb, und seine Gesichtszüge waren finster verzogen. Aber ich gratulierte ihr natürlich zu ihm, und sie gratulierte mir zu meinem Sohn.
Während wir im Rhythmus der Träger hin und her schwankten und taumelten, unterhielten wir uns über unsere neuen Vorhaben. Sie webte an einem Stück Stoff, das eine Zeile aus einem Gedicht enthalten sollte – eine sehr schwierige Aufgabe und eine echte Herausforderung. Ich lernte, wie man Vögel einlegte – das wiederum war relativ einfach, wichtig war nur, alles genau richtig zu machen, damit das Fleisch nicht verdarb. Doch das waren nur Nettigkeiten, für uns gab es Wichtigeres zu besprechen. Als ich sie fragte, wie es ihr zu Hause ging, zögerte sie keinen Moment.
»Wenn ich morgens aufwache, gibt es keinen Grund zur Freude für mich, bis auf meinen Sohn«, gestand sie und sah mir in die Augen. »Ich singe gerne, wenn ich Wäsche wasche oder das Brennholz hereinbringe, aber mein Mann wird wütend, wenn er mich hört. Wenn er schlecht gelaunt ist, darf ich nur über die Schwelle, um meine Arbeiten zu verrichten. Wenn er gute Laune hat, dann lässt er mich abends draußen auf der Plattform sitzen, wo er die Schweine schlachtet. Aber dort muss ich immer an die toten Tiere denken. Wenn ich nachts einschlafe, weiß ich, dass ich wieder aufstehe, aber es gibt keine Dämmerung, nur Dunkelheit.«
Ich versuchte sie zu trösten. »Du sagst das alles, weil du gerade Mutter geworden bist und jetzt Winter war.« Ich hatte kein Recht, meine Einsamkeit mit ihrer zu vergleichen, aber selbst ich wurde melancholisch, wenn ich meine eigene Familie vermisste oder die kalten Schatten der verkürzten Tage meine Stimmung dämpften. »Der Frühling ist da.« Mein Trost galt ihr gleichermaßen wie mir. »Wenn die Tage wieder länger sind, werden wir glücklicher sein.«
»Mir sind die Tage lieber, wenn sie kurz sind«, antwortete sie nüchtern. »Nur wenn mein Mann und ich zu Bett gehen, hören die Klagen auf. Ich höre meinen Schwiegervater nicht brummen, weil ihm sein Tee zu schwach ist, meine Schwiegermutter nicht schimpfen, weil ich zu weichherzig bin; ich höre nicht, dass meine Schwägerinnen saubere Kleider verlangen, dass mein Mann mir befiehlt, ihm im Dorf weniger Schande zu machen; und ich höre nicht, wie mein Sohn fordert, fordert, fordert.«
Ich war entsetzt, dass die Situation meiner Weggefährtin so schlimm war. Ihr ging es elend, und ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte, obwohl ich mir erst vor ein paar Tagen vorgenommen hatte, wir würden offener zueinander sein. In meiner Ratlosigkeit und Verlegenheit verließ ich mich ganz auf die Konventionen.
»Ich habe versucht, meinem Mann und meiner Schwiegermutter alles recht zu machen, und dadurch ist mein Leben besser geworden«, lautete mein Vorschlag. »Du solltest es genauso machen. Jetzt leidest du, aber eines Tages wird deine Schwiegermutter tot sein, und du wirst die Dame in deinem Haushalt sein. Alle ersten Ehefrauen, die Mütter von Söhnen sind, gewinnen am Ende.«
Sie lächelte reuig, und ich dachte an ihre Klage über ihren Sohn. Ich verstand das nicht. Ein Sohn war das Leben einer Frau. Es war ihre Aufgabe und ihre Erfüllung, ihm jedes seiner Bedürfnisse zu erfüllen.
»Dein Sohn wird bald laufen können«, sagte ich. »Du
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